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PDSler-Äußerung zur SEDFalscher Auftritt am falschen Ort

Sympathisiert eine hochrangige Linkspartei-Politikerin mit den stalinistischen Wurzeln der SED? Das ist eine von vielen Fragen, die die gestrige Rede von Almuth Nehring-Venus hervorruft. Die künftige Wirtschaftsstaatssekretärin bezweifelt, dass die Vereinigung von SPD und KPD 1946 ausschließlich erzwungen war. Was wie eine Spitzfindigkeit klingt, ist viel mehr. Es geht auch um die Frage, wie viel SED noch in Berlins Linkspartei steckt.

KOMMENTAR VON MATTHIAS LOHRE

Historischen Fakten stehen nur selten ohne Wertung da. Meist geht es darum, wer sie wie wann und zu welchem Zweck instrumentalisiert. Nehring-Venus argumentiert, dass die Ausstellungsmacher die Zustimmung vieler SPDler zur SED-Gründung verheimlichten. Doch sie selbst bietet keine neuen Fakten. Sie kann es gar nicht. Die russischen und deutschen Archive sind heute weitgehend erschlossen. Die Ausstellung verschweigt kein wichtiges Faktum.

Warum dann aber diese Rede, warum jetzt und an diesem Ort? Weil es auch in diesem Fall nicht allein um historische Fakten geht, sondern um Menschen und ihren persönlichen Blick auf die Vergangenheit. „Nicht alles an der SED war schlecht“, steht unausgesprochen hinter Nehring-Venus’ Worten. Und hinter der Empörung der anderen lauert die Unterstellung: „Will da jemand die SED, unter der ich gelitten habe, reinwaschen?“

Eine von allen geteilte Sicht kann es da nicht geben. Nicht solange Menschen leben, die die DDR persönlich erfahren haben. Der Streit wird andauern. Wie gesagt: Bei geschichtlichen Fakten geht es oft darum, wer diese wie wann und zu welchem Zweck benutzt. Nehring-Venus hat dies am falschen Ort getan, beim falschen Anlass und mit viel zu wenig Fingerspitzengefühl für eine künftige PDS-Spitzenfrau.

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