piwik no script img

NEUES IMAGE FÜR NIGERIAS ÖLLOCHBücher statt Boko Haram

Port Harcourt

KATRIN GÄNSLER

Port Harcourt klingt irgendwie immer etwas schmutzig und klebrig. Es ist die größte Stadt des Nigerdeltas im Südosten Nigerias. Die Region steht für Öl: schwarzes Gold und dunkle Pest, leckende Ölpipelines und tote Fische.

Doch in diesem Jahr erstrahlen im Stadtzentrum die Plakatwände in Weiß und Hellblau, und zwei Delfine springen aus dem Wasser. Das ist Werbung für die Weltbuchstadt, zu der die Unesco Port Harcourt in diesem Jahr ernannt hat. Eine Weltbuchstadt in Nigeria? Davon gehört haben dürften bisher nur wenige. Wen immer man in Nigeria danach fragt, die Antwort ist oft Schulterzucken, ein einsilbiges Aha. Selbst in Port Harcourt.

Koko Kalango lächelt darüber. „Klar ist das Nigerdelta bekannt für alle Aktivitäten rund ums Öl. Und die sind nicht immer positiv.“ Kalango ist Leiterin des Rainbow Book Club, einer Leseinitiative für Kinder und Jugendliche. Sie koordiniert das Programm rund um die Weltbuchstadt 2014. Kalango sieht darin eine große Chance für die Millionenstadt. So könnte Port Harcourt endlich vom schmierigen Ölimage wegkommen.

Doch am wichtigsten ist für Kalango die Möglichkeit, Kindern und Jugendlichen zu zeigen, dass es Hoffnung durch Bücher und Bildung gibt. In 100 Schulen der Stadt sind insgesamt 300 Leseklubs eingerichtet worden, in denen Grundschüler zum Beispiel ein Buch pro Woche durcharbeiten können. Darüber hinaus finden das ganze Jahr über Lesungen und Workshops statt. Das knüpft an die lange Buchtradition Nigerias an, die anderswo kaum wahrgenommen wird. Der Riesenstaat mit seinen 175 Millionen Einwohnern ist im Moment nur noch Boko-Haram-Land. Boko haram heißt, Bücher sind Sünde.

Dabei war der Nigerianer Wole Soyinka 1986 Afrikas erster Literaturnobelpreisträger. In Nigeria selbst ist der 2013 gestorbene Chinua Achebe beliebter. Man sagt ihm nach, er sei dichter an den Menschen und dem Alltag dran gewesen.

Auch Christiana Egerton hat schon von Chinua Abeche gehört. Die Zehnjährige besucht die Grundschule in Degema, einem Dorf eine Autostunde von Port Harcourt entfernt. Sie ist Mitglied im dortigen Leseklub. Allerdings: Was Achebe geschrieben hat, weiß sie nicht so genau. Stattdessen zählt sie ihre Lieblingsbücher auf. „Die kleine Meerjungfrau“ und „Die Schöne und das Biest“, am besten die bunte Disney-Ausgabe.

Koko Kalango findet das nicht schlimm. Bücher haben für sie einen entscheidenden Vorteil: Sie ermöglichen das Reisen – raus aus Port Harcourt, raus aus dem Ölloch.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen