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Ehrenrettung mit dem Messer

Religiöse Gründe „nicht auszuschließen“: Nachdem ein 15-Jähriger an der Jenfelder Otto-Hahn-Gesamtschule einen 17-jährigen Mitschüler niedergestochen hat, zeichnet sich als Motiv ein Streit um das Kopftuch einer Freundin ab

Seit Sina sich plötzlich Medina nannte, war die Welt nicht mehr in Ordnung an der Otto-Hahn-Gesamtschule in Hamburg-Jenfeld. Die 14-Jährige musste viel Spott über sich ergehen lassen, seit sie ihre blonden Haare nicht mehr offen trug, sondern unter einem Kopftuch verbarg. Ihren Übertritt zum Islam fanden diejenigen gut, die selbst Muslime sind. Navid zum Beispiel, 15 Jahre alt, gebürtiger Afghane. Der 17-jährige Steven hingegen soll keine Gelegenheit ausgelassen haben, sich über Sina lautstark zu belustigen. Es kam zum Streit darum, immer wieder. Offenbar war es dieser Konflikt, der am Mittwoch eskalierte: Auf dem Parkplatz vor der Schule stach Navid den 17-jährigen Mitschüler mit dem Messer nieder. „Religiöse Gründe sind nicht auszuschließen“, sagte gestern Polizeisprecherin Ulrike Sweden.

Steven hat überlebt. Nach einer Notoperation ist er inzwischen in „gutem Zustand“, sagt Sweden. Der 15-jährige Navid sollte noch gestern dem Haftrichter vorgeführt werden.

An der Schule ist man entsetzt und stellt die Frage, wie so etwas geschehen kann. Navid und Steven lagen seit Wochen im Konflikt miteinander. Das war im Lehrerkollegium durchaus bekannt. Schon am Montag kam es zu einem tätlichen Übergriff: Bekannte von Navid, „Erwachsene“, wie Schulleiterin Renate Wiegandt betont, stürmten in den Chemieunterricht und verprügelten Steven vor der versammelten Klasse. Die Bilanz: Nasenbluten und ein blaues Auge.

Die Polizei sagte, sie wolle umgehend einen Streifenwagen vorbeischicken. Das aber habe die Schulleitung abgelehnt. Zwar sei dann am nächsten Morgen ein „Cop 4 you“, wie der für eine Schule zuständige Polizist heißt, zur Schule gekommen. Die Täter aber habe der natürlich nicht mehr ergreifen können. Deshalb sei der Hintergrund der Prügelei nicht aufgeklärt worden. Am Mittwoch stach dann Navid seinen Widersacher nieder.

Offenbar ist es nicht das erste Mal, dass Navid an einer Schule von sich reden machte. Der 15-Jährige hat in seinem jungen Leben mehrere Schulen durchlaufen. „Wenn ein Schüler ständig die Schule wechselt, ist er natürlich irgendwie aufgefallen“, sagt Wiegandt. Die Schulleiterin warnt davor, den Konflikt auf den Streit um Sina zurückzuführen. Es gäbe zu viele unterschiedliche Vermutungen und Aussagen darüber, was die Ursache des Streites gewesen sein kann. Natürlich aber sei auch den Lehrern aufgefallen, dass das Mädchen plötzlich zum Islam konvertiert war und ihr Äußeres entsprechend verändert hatte. Selbst dadurch verunsichert, hätte das Kollegium Kontakt zur „Beratungsstelle für interkulturelle Erziehung“ aufgenommen und sich Verhaltenstipps geholt. „Uns wurde gesagt, dass man das niemandem verwehren könne“, sagt Wiegandt.

Sie fürchtet, dass die Schule nun in einen Ruf gerät, der ihr nicht gebührt – zumal sie in einem Stadtteil liegt, der nach dem Hungertod der siebenjährigen Jessica vielfach für Negativschlagzeilen sorgte. Man setze an der Otto-Hahn-Schule auf Prävention und arbeite eng mit der Polizei zusammen. „Es wäre gefährlich, dieses Ereignis auf ein bestimmtes Umfeld zurückzuführen“, sagt Wiegand. „Wir sind eine friedliche Schule.“Elke Spanner

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