: Kategorie F
STADIONVERBOT Es kommt einer Majestätsbeleidigung gleich: Franz Beckenbauer darf drei Monate lang kein Fußballspiel besuchen, entschied die Fifa. Dabei soll er doch nur die Aufklärung von Korruptionsvor-würfen behindert haben, indem er ein paar Fragen nicht beantwortet hat. Beckenbauer hatte vor vier Jahren über die Vergabe der kommenden Weltmeisterschaften 2018 und 2022 abgestimmt. Sie gingen an Russland und Katar. In beide Länder unterhält er enge wirtschaftliche Kontakte. Stürzt unser Kaiser? Kommt er dieses eine Mal nicht davon?
VON MARKUS VÖLKER
Ja mei, der Franz, sagen sie. Ihr kennt’s ihn doch! Quatscht manchmal dummes Zeug, der Franz, des scho, aber kann man’s ihm übel nehmen? Eben. War schon immer so. Und wird immer so sein. Dem Franz kann keiner was, egal wie viel Deppertes er von sich gibt. Der Franz ist eine Marke. Und wie er das macht: Nonchalant lässt er seine Kritiker ins Leere laufen. Wickelt sie ein mit seinem Giesinger Charme. Und seiner Selbstironie. Ja, wer hat denn auf dieser Ebene des Berühmtseins noch einen witzigen Bezug zu sich selbst, sagen sie. Dort oben sind sie ja meist besoffen von sich, von ihrer Wirkmacht und Strahlkraft. Ja, und strahlen kann der Franz schon auch, weswegen sie ihn ja auch Lichtgestalt nennen.
Aber obwohl der Franz diese ganzen Klunker daheim rumliegen hat, das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik, den Laureus World Sports Award für sein Lebenswerk, den Jahrhundert-Verdienstorden der Fifa (!), den Persönlichen Preis des Bayerischen Ministerpräsidenten, den Millenniums-Bambi und auch die Goldene Sportpyramide, hebt der Franz höchstens mit dem Flugzeug ab, sagen sie. Oder mit dem Hubschrauber wie 2006, als er zu jedem WM-Spiel eingeflogen wurde. Ohne den Franz ging’s halt nicht, den Orga-Chef. Er durfte nicht fehlen. Wäre sonst das Sommermärchen so schön erzählt worden? Eben. Der Franz war der Märchenonkel.
Wer käme schon auf die Idee, ihn Herrn Beckenbauer zu nennen. Der Franz gehört allen. Man duzt ihn, weil er ja auch kann mit dem Volk. Spricht er nicht dessen Sprache? Eben. Der Franz ist jetzt halt ein bisschen von der Fifa gesperrt worden. Aber sind ja nur 90 Tage, sagen sie, danach ist er wieder der Alte. Ein Hansdampf auf allen Kontinenten. Brasilien kennt er eh schon zur Genüge. Da muss er nicht mehr unbedingt hin. Kann man auch verstehen, dass er einen Fragebogen nicht auf Englisch ausfüllen will. Da hätte die Fifa schon ein bissel flexibler sein müssen, dem Franz mehr entgegenkommen können.
Und dass jetzt ausgerechnet dieser korrupte Haufen von Fußballfunktionären am Franz ein Exempel statuiert, das ist schon „lächerlich“ und ein „Aprilscherz“. Das hat der Franz gut erkannt. Da hätte man ja alle alten Säcke mit einem Bann belegen können und nicht nur den Franz. Die haben doch alle Dreck am Stecken, sagen sie, und der Franz hat noch das Beste draus gemacht. Für sich persönlich sowieso. Das mit der Werbung läuft schon seit Jahrzehnten wie geschmiert. Ja, is denn schon Weihnachten und so.
Das hat sich doch eingebrannt in die Hirne, so wie seine wunderbaren Pässe. Der Franz war ja kein Stehgeiger, der war ein Zauberfuß. Gut, vielleicht hat er’s ein bissel übertrieben mit diesem ganzen Werbezeug und der Kontakterei. Gazprom ist nicht jedermanns Sache, mag sein. Und die Kungelei mit den Scheichs ist auch nicht so toll. Sie hat ihn ein bissel blind gemacht. Er hat dann sogar die Arbeitssklaven in Katar nicht mehr erkannt auf seinen Reisen an den Golf. Und dass er auch zum Handlanger von Putin wurde, das hat das Millionenheer der Franz-Freunde schon irgendwie nachdenklich gemacht. Was treibt der Franz da nur, fragen sie.
Aber wollen sie Hintergründe zu Franzens Wirken? Nö, wollen sie eher nicht. Viel interessanter ist da schon, dass sich der Franz einen Bart hat stehen lassen. In Bild, natürlich, wo sonst, erklärt der Franz, warum ihm kürzlich ein „Henriquatre“ gewachsen ist und warum das Ding wieder ab musste. „Meine Frau Heidi und meine Tochter Francesca wollten den Bart nicht mehr so recht.“ Ja, das sind die Infos, die das Fußballvolk verdaut wie eine gute Schweinshaxe. Wer will schon wissen, was dieser Bin Hammam oder der Medwedjew alles anstellen in ihren lupenreinen Demokratien? Eben.
Teflon-Franz, sagen ja manche sogar. Oder Franz Wurst. Alles perlt an ihm ab, alles ist ihm wurscht. Nichts bleibt haften. Nichts von seiner Steuer-Affäre in der 70ern, nichts von seiner Weihnachtsfeier-Schnackselei und auch nichts von seiner extremen Nähe zum Boulevard. Selbst die kritischen Geister unter den Schreiberlingen haben ja einen Narren am Franz gefressen. Ist ja auch logisch, bei all der Coolness vom Franz, sagen sie. „Franz Beckenbauer steht an der Bahnsteigkante wie ein Kind, das seinem Schicksal vertraut. Er weiß, dass man ihn nicht im Stich lässt. Er wird abgeholt. Immer“, hat der Spiegel einmal geschrieben. Er wird auch immer gemocht. Die Deutschen lassen ihn nicht fallen, ihren Franz. Sie wissen doch eh, dass die Geschäfte der Großkopferten nicht sauber sind. Wenn die Elite schon ein bissel korrupt ist, dann wollen sie wenigstens einen Korrupten mit Herz. Einen, der sie anspricht – und vergessen lässt, dass Fußball mehr ist als ein Spiel Elf gegen Elf. Ist nämlich auch ein Scheißbusiness, eine miese Geschäftemacherei, dieser Fußball, das wissen sie. Aber kann der Franz das ändern? Eben.
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