: Der Papst ist schuld
Dem deutschen TV steht eine Religionsoffensive bevor: Im Februar 2007 startet mit Trinita der erste rein religiöse Kanal. Die katholische Kirche will sogar jedem Sender ein „katholisches Gesicht“ geben
Von Wilfried Urbe
Die Stimme aus dem Off würde auch gut zu einem Boxkampf passen. Umso mehr, als sie Prediger „Kirk“ ankündigt, der sogleich, begleitet von einem rhythmischen Beat und einem hundertköpfigen Chor, singend und tanzend die Bühne betritt, um die Botschaft der Bibel im Stil von James Brown zu interpretieren. Aber der Mann ist nicht nur ein guter Soulsänger, sondern auch ein begnadeter Entertainer, wenn er etwa später darüber erzählt, wie man sich in Jesus verlieben kann. Im Wechsel von Musik und Predigt bringt der Teleevangelist sich und Teile des Publikums allmählich zur religiösen Ekstase, bis endlich klar ist: Wer glaubt, wird erlöst.
So und so ähnlich erreichen über 200 religiöse Sender in den USA ein Millionenpublikum. Immer wieder werden Aufrufe zu Spenden oder zum Kauf von Begleitmaterial wie Bücher oder Videos mit eingestreut: ein Multimillionen-Dollar-Geschäft. Zudem sind die Sender als Sprachrohr der „religiösen Rechten“ eine bedeutende politische Macht. Prediger, beispielsweise Pat Robertson, der mit seiner „Hour of Power“ regelmäßig 30 Millionen Amerikaner erreicht, rufen zum politischen Mord auf wie im Fall des kolumbianischen Staatspräsidenten Hugo Chávez, oder sie kritisieren die Demokratie als Staatsform und fordern die Todesstrafe für Ärzte und Frauen, die abtreiben.
Der Start eines religiösen Senders mit Wurzeln in den USA steht jetzt auch bei uns bevor: Trinita TV startet am ersten Februar. Vorausgegangen war ein längeres Prüfungsverfahren der Landesmedienanstalten, denn eine übermäßige Bewerbung einer religiösen Richtung im Fernsehen ist bei uns laut Rundfunkstaatsvertrag verboten. „Trinita TV wollte sein Programm zuerst zum großen Teil mit Gottesdienstübertragungen füllen. Das mussten sie verringern“, berichtet der Sprecher der nordrhein-westfälischen Landesmedienanstalt Peter Widlok. Und sein Chef, Norbert Schneider, fragt sich noch heute, ob ein „Programm selbst“ als „durchgehender Werbeblock“ ausgestrahlt werden darf. Insgeheim schwingt auch die Sorge mit, dass US-Verhältnisse nun auch Deutschland erreichen.
Der Initiator und Geschäftsführer von Trinita TV, der Deutsche Christian Peschken, der als Produzent in den USA Fuß gefasst hat, wiegelt ab: Die Zuschauer sollen in erster Linie die Botschaft der Bibel erhalten. Dazu will er einen Programmanteil von rund 30 Prozent von religiösen US-Sendern adaptieren: „Unser Ziel ist es, keine politische Botschaften oder überzogene, emotionale Darstellungen zu zeigen.“
Der Großteil der Inhalte soll aus Eigenproduktionen für die ganze Familie bestehen. Aggressive Spendenaufrufe wird es nicht geben, versichert er weiter, aber den Verkauf von Begleitmaterial wie Bücher oder CDs. Die Investoren, die er nicht nennen möchte, seien erfolgreiche Geschäftsleute außerhalb des Mediengeschäfts, die ihr Geld „sauber“ anlegen wollten.
Das Engagement von Trinita TV fällt jedenfalls in eine Zeit, in der sich das Verlangen nach religiösen Themen verstärkt hat. Denn Religion im deutschen Fernsehen boomt: Es gibt fast 40 Sendungen mit Themen, angelehnt an die Ethik der beiden großen christlichen Religionsgemeinschaften. Von einem „regelrechten Paradigmenwechsel“ spricht beispielsweise Cicero-Chefredakteur Wolfram Weimer. Das neue „Mainstream-Thema“ habe auch die Medien aktiviert, die dem gesellschaftlichen Trend folgten und ihn zukünftig zu ihrem ökonomischen Vorteil nutzen würden.
Dass Religion im Fernsehen neuerdings eine so große Rolle spielt, sieht der Trendforscher Peter Wippermann durch die katholische Kirche begründet: „Vor allem sie haben es geschafft, fernsehgerecht und theatralisch große Events zu entwickeln, etwa den Tod des Papstes oder den Weltjugendtag. Das ist eine Art People TV, das den Glauben vermenschlicht und wieder spannend macht.“ Es würde ihn nicht wundern, wenn Privatkirchen nach US-Muster in Deutschland Verbreitung finden würden: „Das hat damit zu tun, dass wir auch beim Thema Glauben pragmatischer werden, wenn uns versprochen wird: Trete uns bei, gib uns dein Geld und wir verschaffen dir in der Gegenwart Erleichterung und Sicherheit.“
Solche Positionen werden von der katholischen Kirche abgelehnt, aber die Bedeutung der Medien wird mittlerweile auch dort anders eingeschätzt. „In den letzten Jahren ist da viel passiert, etwa mit unserer Internetpräsenz. Zudem wollen wir jedem Sender ein ‚katholisches Gesicht‘ geben“, erklärt der Geschäftsführer der katholischen Rundfunkarbeit, David Hober. So kommentiert etwa Bruder Paulus für ProSiebenSat.1 und Pfarrer Dietmar Heeg für RTL bei kirchlichen Ereignissen. „Außerdem bieten wir für die Bischöfe jedes Jahr ein Kameratraining an“, so Hober, „zurzeit prüfen wir die Möglichkeiten eines digitalen Kirchensenders, da sich in den deutschsprachigen Ländern eine deutlich bemerkbar machende religiöse TV-Szene etabliert.“
Dennoch schränkt der Kirchenmanager ein: „Inhalte und Dramaturgien wie bei der ‚Hour of Power‘ sind für uns nicht denkbar und passen nicht zu uns. Da können wir ganz gut auf unsere eigenen Liturgien vertrauen.“ Die Kirche habe einen großen Schatz an Service und Brauchtum und könne damit auf ein gutes Reservoir für mögliche Programmformate zurückgreifen, so Hober: „Helptainment-Formate müssen wir nicht erst neu erfinden.“
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