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Kiezhelfer müssen einpacken

Das Quartiersmanagement im Rollbergviertel darf nicht länger arbeiten. Grund ist ein Streit mit der Senatsverwaltung. Sie wirft Quartiermanager Duhem „sprachliche Entgleisungen“ vor. Duhem spricht von einer politischen Entscheidung

Die Nachricht kam für die meisten Bewohner des Neuköllner Rollbergviertels überraschend: Das seit fünf Jahren tätige Quartiersmanager-Team muss sein Büro räumen. Grund ist ein Konflikt mit der Stadtentwicklungsverwaltung. Deswegen hat der lokale Träger, der Förderverein „Morus 14“, den zum Jahreswechsel fälligen Antrag auf Fortführung des Quartiersmanagements zurückgezogen.

Das Quartiersmanagement in den einzelnen Vierteln wird jedes Jahr von der Senatsverwaltung neu ausgeschrieben. Dass in diesem Zusammenhang ein Träger wechselt, kommt selten vor. Brisant ist der Fall im Rollbergviertel, weil Bewohner und Einrichtungen im Kiez die Ablösung verurteilen.

Der Konflikt wird unterschiedlich begründet: Nach Ansicht der Quartiersmanager will die Verwaltung autonomes Handeln abstrafen. Im Haus von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) betont man dagegen, es gehe nur um die Person von Quartiersmanager Gilles Duhem.

Ausgerechnet Duhem hat es zu Prominenz über die Bezirksgrenzen hinaus gebracht: Der streitbare Quartiersmanager benennt soziale Probleme, aber auch kulturelle Verwerfungen in seinem „Problemkiez“ gern mit drastischen Worten. Vielen gilt der seit 1990 in Berlin lebende Franzose als Schützling von Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD).

Duhem selbst glaubt, dass er mit seinem Team wegen „fehlender politischer Hörigkeit“ in die Schusslinie geraten ist. Die Senatsverwaltung habe Druck auf den Förderverein ausgeübt, den Antrag umzuformulieren – unter Verzicht auf Duhem als Mitglied des Teams und mit geänderten Konditionen.

Dass das Verhältnis zwischen ihm und Mitarbeitern der Senatsverwaltung zerrüttet ist, räumt Duhem ein. Er führt dies auf Kompetenzstreitigkeiten und politische Eifersüchteleien zurück: Geknallt habe es etwa, als er die Bundesintegrationsbeauftragte Maria Böhmer zum Kiezbesuch eingeladen hatte. Der zuständige Abteilungsleiter in der Senatsverwaltung habe die Veranstaltung „torpedieren“ wollen. Duhem: „Dieser Besuch war im Wahljahr 2006 nicht genehm.“ Der Beamte habe ihn mit den Worten „Wes’ Brot ich ess, des’ Lied ich sing“ zurechtgewiesen – dabei, so Duhem, werde das Quartiersmanagement zu großen Teilen aus Bundes- und EU-Mitteln finanziert.

Duhem verweist auf den Rückhalt, den er und seine beiden Kolleginnen im Viertel genießen: „Selbst Leute, mit denen wir uns bis aufs Blut gezofft haben, sagen: ‚Ihr müsst bleiben‘.“ Auch von außen liefen Solidaritätsbekundungen ein, von der Ex-Integrationsbeauftragten Barbara John bis zur Polizei. Christiane Wreege von „Morus 14“ betont, die Mitgliederversammlung – in der nur BewohnerInnen des Viertels sitzen – stehe „geschlossen hinter dem Team“. Man lasse sich vom Senat „nicht erpressen“.

Petra Nothdorf vom Referat „Soziale Stadt“ der Stadtentwicklungsverwaltung bestätigt den Versuch ihrer Behörde, dem Förderverein einen veränderten Antrag nahe zu legen. Sie bestreitet aber jegliche politische Konnotation: Nicht die Widerborstigkeit des Teams habe den Ausschlag gegeben. Vielmehr habe sich der Quartiersmanager wiederholt „sprachliche Entgleisungen“ gegenüber der Senatsverwaltung geleistet, die „nicht mehr tolerierbar“ seien. Man suche jetzt einen neuen Träger.

Duhem gibt sich noch nicht geschlagen: Er bietet Junge-Reyer einen runden Tisch an, an dem über eine Weiterarbeit des Teams verhandelt werden soll.

CLAUDIUS PRÖSSER

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