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Kopfschmerzen wegen EU und G 8

Attac stimmt sich mit „Katerfrühstück“ auf das Gipfel- und Protestjahr 2007 ein. Die Aktivisten befürchten eine unsozialere Weltpolitik unter deutscher Präsidentschaft

BERLIN taz ■ Heringe und sauren Gurken helfen gegen Kater. Bei den Kopfschmerzen von Globalisierungskritikern angesichts der internationalen Sonderrolle der Bundesrepublik im Jahr 2007 bleibt jedoch jedes Schmerzmittel wirkungslos. So waren die Heringe bei der als „Katerfrühstück“ getarnten Attac-Pressekonferenz mehr von symbolischer Bedeutung – für den leidvollen Kampf gegen eine neoliberale Weltpolitik.

„Der deutsche G-8-Gipfel steht für Sozialabbau und Militarisierung“, sagt Sven Giegold aus dem Attac-Koordinationskreis, „das sind genau die Dinge, gegen die wir seit Jahren kämpfen.“ Mit Massenprotesten, Blockaden und einem Alternativgipfel wollen die Globalisierungsgegner im Juni gegen das Treffen der acht Staats- und Regierungschefs in Heiligendamm an der Ostsee demonstrieren. Der Protest richtet sich vor allem gegen die Afrika- und Energiepolitik der Industriestaaten.

Anlässlich der deutschen EU-Ratspräsidentschaft hat sich Attac ein weiteres großes Thema auf die Agenda der kommenden Monate gesetzt. Die EU sei eine „gute Idee mit schlechter Umsetzung“, so Giegold. „Die Staaten konkurrieren gegenseitig mit günstigen Sozial- und Steuermodellen“, so der Aktivist, „damit ist die EU struktureller Sozialabbau und eine Fehlkonstruktion.“ Als Ratsvorsitzende werde Kanzlerin Angela Merkel den Umbau Europas in eine unsoziale Freihandelszone weiter beschleunigen.

Die Globalisierungskritiker fürchten insbesondere die von Merkel geplante Wiederbelebung der europäischen Verfassung. „Dieser Vertrag zementiert die bestehenden Missverhältnisse“, meint Giegold. Der Vertrag sei grundlegend unsozial und undemokratisch. „Wir sind verfassungsfeindlich“, sagt Attac-Mitglied und EU-Parlamentarier Tobias Pflüger. Nicht nur die Festschreibung bestehender Politik, auch die Neuerungen der Verfassung lehnt Attac vehement ab. So sei die nicht ratifizierte Verfassung schon heute eine „Blaupause für die forcierte Militarisierung der EU“, meint der parteilose Abgeordnete.

Nach der Ablehnung des Regelwerks durch die französische und niederländische Bevölkerung müsse auch Deutschland die Verfassung blockieren, findet Attac und fordert ein deutsches Referendum. „Die Politik muss endlich erkennen, dass der Vertrag tot ist“, sagt Giegold.

Für den Kampf gegen das europäische Regelwerk haben sich die Globalisierungskritiker internationale Unterstützung ins Boot geholt. Die Aktivistin Susan George, Mitbegründerin von Attac Frankreich, begleitete den Widerstand der französischen Bevölkerung gegen den EU-Vertrag. Im Mai 2005 stimmten die Franzosen bei einem Referendum mehrheitlich mit „Non“ und legten das Verfassungsprojekt auf Eis. „Das war die leidenschaftlichste Debatte in Frankreich seit 1968“, so George. Nun stehe die deutsche Bevölkerung vor der gleichen Auseinandersetzung. Der freie Wettbewerb sei in dem Regelwerk 27-mal betont, das Volk werde hingegen erst in den hinteren Kapiteln erwähnt. „Ihr dürft Merkel nicht erlauben, diesen undemokratischen Vertrag einfach durchzudrücken“, rät George den deutschen Aktivisten. „Ist der Text einmal beschlossen, ist er kaum noch zu ändern.“

Statt des Vertrags will Attac europaweite soziale Standards. Die EU müsste über Steuerkompetenzen verfügen und Mindestsätze festlegen, um einen Abwärtswettbewerb zu verhindern. Auch eine neue Diskussion über die demokratische Natur der EU sei nötig. Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker erklärte gestern jedoch, seiner Einschätzung nach werde die Bundesregierung bei der Wiederbelebung des Verfassungsprozesses den Kern des Vertrags erhalten. NICO POINTNER

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