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portraitSprecherin mit Hintergrund

Schon bei ihrem ersten Auftritt vor der internationalen Presse in New York hatte sie einen schweren Stand: Michele Montas, seit vorgestern Sprecherin des neuen UN-Generalsekretärs Ban Ki Moon, musste den Journalisten erklären, was dieser wohl mit seinen Äußerungen zur Hinrichtung Saddam Husseins gemeint haben könnte. Für eine gestandene Journalistin, deren Arbeit über Jahrzehnte darin bestand, die Wahrheit herauszufinden, keine leichte Aufgabe.

Doch die routinierten Antworten der 61-Jährigen, mehrfach ausgezeichneten Medienfrau zeigten auch, dass sie nicht mehr neu ist im PR-Geschäft der Vereinten Nationen. Schon in den 80er-Jahren, als sie zum ersten Mal, bedroht von den Schergen des haitianischen Diktators Duvalier, ins New Yorker Exil fliehen musste, war sie für das französischsprachige Radioprogramm der Vereinten Nationen verantwortlich gewesen. 2003, erneut im Exil, war sie zur Sprecherin der UN-Generalversammlung ernannt worden.

Doch den Großteil ihres beruflichen Lebens hat Michele Montas in Haiti verbracht, wo sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Jean Dominique das kritische „Radio Haiti Inter“ verantwortete – eine für seine Recherchen zu Korruption und Gewalt von allen politischen Lagern gefürchtete Stimme der freien Presse, die im Unterschied zu den anderen Stationen in der Mehrheitssprache Creole sendete.

Zunächst durchaus Unterstützer Jean Bertrand Aristides, der 1990 als Armenpriester die Verhältnisse in Haiti zu revolutionieren schien, veröffentlichten beide bald kritische Beiträgen über Aristide und seine Lavalas-Bewegung. Die Drohungen nahmen zu. Im April 2000 wurde Jean Dominique vor dem Gebäude des Radiosenders in Port-au-Prince erschossen. Michele Montas blieb im Land, führte die Arbeit weiter und arbeitete verbissen an der Aufklärung der Ermordung ihres Mannes, für die nach ihrer Überzeugung führende Mitglieder der Aristide-Partei die Verantwortung tragen. Doch die offizielle Untersuchung wurde immer wieder behindert und geriet ins Stocken – im Dezember 2002 wurde auch auf Montas ein Anschlag verübt. Sie selbst entkam, ein Wachmann wurde getötet. 2003 entschied sie, aufgrund der Gefährdungen Radio Haiti vorübergehend einzustellen, und ging erneut ins Exil.

In ihren neuen Job bringt Montas das Image einer streitbaren und um die Wahrheit bemühten Menschenrechtsverfechterin in den Medien mit. Wie lange sich dieser Nimbus halten wird, wird auch davon abhängen, welche Botschaften ihr neuer Chef der internationalen Öffentlichkeit zu verkünden hat. BERND PICKERT

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