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potsdamer abstimmungStadtschloss als Running Gag

Mehr als deutlich haben sich die BürgerInnen Potsdams für den Wiederaufbau des einstigen barocken Stadtschlosses entschieden. Ihr Votum beinhaltet, dass die historische Mitte zukünftig als Sitz des Brandenburgischen Landtags genutzt werden soll. Die Rückgewinnung des Alten Markts als Zentrum von Stadt und Land ist jetzt erklärter Wille. Den Befürwortern des Schlossareals – dem Oberbürgermeister, der Potsdamer SPD, CDU und selbst den Grünen – kommt das klare Ergebnis der Bürgerbefragung natürlich zupass. Sie werden es als Schwung mit in die kommende Sitzung der Stadtverordnetenversammlung nehmen, um die Chose nun parlamentarisch abzusichern. Für die Gegner des Projekts, allen voran die PDS, bedeutet das Ja zum Stadtschloss eine herbe Niederlage. So weit alles wie gewünscht?

KOMMENTAR VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Nicht ganz. Dass es drei Anläufe in Potsdam gebraucht hat, eine Mehrheit in der Sache herauszudestillieren, hinterlässt einen Beigeschmack. Man kann verstehen, dass nach der ersten Abstimmungsniederlage im Rathaus sich die Front der Schlossbefürworter nicht zufriedengab und nachlegte.

Dass der zweiten Watsche wieder Bockigkeit folgte und zur Umfrage aufgerufen wurde, lässt aber am demokratischen Verständnis von Potsdams Parteien und deren Professionalität zweifeln: Statt Mehrheiten zu haben, backt man sich welche – mittels ständig neu aufgelegter Abstimmungen. Wenn nun die Grünen verkünden, sie lassen die nächste Umfrage gleich folgen, fragt man sich: Was kommt noch?

Nichts gegen Bürgerbeteiligung. Es war richtig, die Potsdamer in dieser stadträumlich und politisch wichtigen Sache zu befragen. Nur hätte man nach dem öffentlichen Diskurs und dem politischen Streit die Schlossentscheidung gleich auf die Ebene der Bürgerbefragung heben sollen. Dazu fehlte lange der Mut.

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