: Revolution in der Kaffeeküche
ALTERNATIVEN Grüne Kaffeebohnen sind billiger zu importieren als Röstkaffee. Das Start-up Bonaverde will so mit den Branchenriesen Tchibo und Co. konkurrieren – und nebenbei den Bauern in den Anbaugebieten helfen
HANS STIER, BONAVERDE-CHEF
VON GESA STEEGER
Ein kleines Büro im vierten Stock eines Hinterhauses in Mitte: Hans Stier steht vor einer Weltkarte und malt Pfeile aufs Papier. Grün für zukünftige Anbaugebiete, Rot für mögliche Absatzmärkte. Er sieht zufrieden aus. Stier, kariertes Hemd, V-Pulli, Typ Segler, ist sich sicher: Die Revolution der globalen Kaffeeindustrie ist in vollem Gange – und er ist derjenige, der sie in Gang gebracht hat.
Bonaverde müsse man sich vorstellen wie ein Schlauchboot, das in derselben Fahrrinne fährt wie die „großen Tanker“, erklärt Firmengründer Stier. „Irgendwie riskant, aber extrem neu und spannend.“ Die „großen Tanker“, das ist die globale Kaffeeindustrie, an deren Spitze Konzerne wie Nestlé, Tchibo oder Kraft stehen. Und das Schlauchboot ist das Start-up Bonaverde, das sich zum Ziel gesetzt hat, den globalen Kaffeemarkt aufzumischen.
„Unfaires System“
Schlüssel zu Stiers „Revolution“ ist eine Kaffeemaschine, die Kaffeebohnen nicht nur mahlen und brühen, sondern auch rösten kann. Die Idee für Bonaverde sei ihm 2010 während seiner Zeit bei einem großen deutschen Energiekonzern gekommen, erzählt Stier. Ausgerechnet während einer Kaffeepause stolpert der studierte Jurist über die Regelung zur Lebensmittelsteuer und entdeckt, dass grüne Kaffeebohnen von der Steuer ausgenommen sind. Für jedes Kilo Röstkaffee bezahlt der Verbraucher 2,19 Euro an Steuern, zuzüglich Mehrwertsteuer. Wenn man also anstatt gerösteten nun grüne Bohnen importieren würde, wäre das billiger, dachte sich Stier – und beginnt zu recherchieren.
Dabei stößt er auf eine komplexe Wertschöpfungskette: Bis zu 17 Zwischenschritte und einem halben Jahr Lagerung liegen zwischen den Kaffeebauern und den Verbrauchern. Jeder Schritt erhöht dabei den Wert des Kaffees. Dabei bleibt der geringste Anteil des Profits im Anbauland selbst. „Ein unfaires System, das nicht nur Zeit und Geld kostet, sondern auch Geschmack“, findet der 30-jährige Firmengründer und redet leidenschaftlich von Gärstoffen, von Kaffeeproduzenten, die er „Stakeholder“ nennt, von Patenten, die bei Stier „Brandings“ heißen.
Die beiden Säulen von Stiers Geschäftsidee: ein Kaffeeautomat, der selber röstet und so frischen Kaffee liefert – und ein Direkthandel zwischen Bauern und Konsumenten, der größere Margen für die Erzeuger verspricht.
Über zwei Jahre tüftelten Stier und sein Team an der Maschine. 135 Prototypen und etliche Probekaffees später dann der fertige Entwurf. Über eine Crowdfunding-Plattform sammelt Bonaverde Ende 2013 für die Finanzierung des Projekts: Innerhalb weniger Wochen kommen knapp 600.000 Euro Startkapital zusammen. Dass die Nachfrage nach seiner Maschine ausbleiben könnte – daran hat Hans Stier nie gezweifelt: „In Deutschland werden 2.315 Tassen Kaffee getrunken, pro Sekunde“, sagt er. „Der Markt ist da und die Kaffeeindustrie ist reif für neue Ideen.“
Für 350 Euro will Stier seine Maschine verkaufen. Kein Spottpreis – doch zwischen 3.000 und 5.000 Vorbestellungen seien bereits eingegangen, versichert er. Ab Dezember sollen die Maschinen ausgeliefert werden.
Für den zweiten Teil der Bonaverde-Idee, dem Direkthandel zwischen Erzeuger und Verbraucher, schwebt Stier ein virtueller Marktplatz vor: Die Kaffeebauern bekommen ein Profil und können ihr Produkt direkt dem Endverbraucher anbieten – ohne Umweg über die Kaffeeindustrie und also mit größerem Gewinn. Lediglich eine geringe Vermittlergebühr für Bonaverde wolle man berechnen, sagt Stier.
Zu welchem Preis die Bauern ihre Bohnen anbieten werden, stehe aber noch nicht fest. Das müsse man noch verhandeln, genauso wie den Prozentsatz, der an Bonaverde für die Vermittlerrolle gehen soll. Fest stehe nur, dass die Gewinne der Bauern höher sein sollen, als die Preise, die sie auf dem freien Weltmarkt für ihr Produkt erzielen.
„Mit diesem Konzept liegen wir im Trend“, meint Stier. „Die Leute wollen heutzutage wissen, woher ihr Produkt stammt, wie es angebaut wird und von wem. Da klinken wir uns ein.“ Vier Kaffeebauern aus Nicaragua seien schon an Bord, erzählt er stolz. Allerdings seien das keine Kleinstbetriebe, sondern größere Kaffeeplantagen. Das liege vor allem an der fehlenden Infrastruktur in den Kaffeeanbauländern, erzählt Stier. Oft fehle es vor Ort an Strom und Internet, das schließe zurzeit leider noch viele potenzielle Lieferanten aus. In Zukunft wolle man sich aber auch um Kleinbauern bemühen und, wenn nötig, auch mal einen Internetanschluss legen lassen.
Die ersten Kontakte zu interessierten Kleinbauern seien schon geknüpft, erzählt Stier. Viele der Anfragen seien vor allem über die „Community“ vermittelt worden. Also über die Leute, die Bonaverde schon bei der Crowdfunding-Kampagne unterstützt haben. Ein finanzielles Risiko gehen die Bauern nicht ein, wenn sie mit ihm zusammenarbeiten, versichert Stier: Die bereits gefundenen Farmer hätten alle ihre alten Verträge zu den großen Kaffeefirmen behalten können und seien daher abgesichert.
Hans Stier glaubt an seine „Revolution“. Das alleine der deutsche Kaffeeriese Tchibo jährlich 3,5 Milliarden Euro Umsatz mit dem Kaffeegeschäft einfährt, schreckt ihn nicht. Aus 65 Ländern seien bereits Vorbestellungen für seine Maschine eingetrudelt. „Der Markt ist riesig.“
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