: Angriff des Brausefernsehens
GLUCK GUCK Wie der österreichische Getränkekonzern Red Bull versucht, eine Macht auf dem Medienmarkt zu werden
VON DANIEL BOUHS
Ein Getränkekonzern schickt sich an, nach Supermarkttheken und Szenelokalen auch die Medienlandschaft für sich einzunehmen: Red Bull will überall sein. Die blaue Brause hat den Unternehmer Dietrich Mateschitz zu einem sehr vermögenden Mann gemacht. Sein Konzern dringt nun auch in die Welt von Hochglanzmagazinen und Fernsehkanälen vor – bald auch in Deutschland.
Dafür baut der Medienzweig des Unternehmens aus Wals bei Salzburg derzeit den Sender Servus TV auf. Ein Kanal, mit dem Red Bull Quote holen will – und zwar mit Qualitätsinhalten. Senderchef Wolfgang Pütz, der vom Bayerischen Rundfunk kam, sagt: „Es macht keinen Sinn, der 595. Sender zu sein, der amerikanische Serien runterspult oder den üblichen Trash präsentiert.“ Servus TV solle vielmehr „die Nische zwischen den öffentlich-rechtlichen und den etablierten privaten Sendern besetzen“: Sein Sender finanziere sich zwar privat, wolle aber „das Qualitätsprogramm bieten, das die Öffentlich-Rechtlichen nicht mehr zeigen oder in der Nische verstecken“.
Red Bull arbeitet also vor allem an einer Konkurrenz zu dem, was ARD und ZDF mit knapp 8 Milliarden Euro Gebühren im Jahr bieten – insbesondere Arte und 3sat stehen im Visier. Pütz sagt: „Natürlich müssen wir uns am Ende selbst finanzieren – auch wenn gerne anderes behauptet wird.“ Das Geschäft aber, räumt Pütz auf Nachfrage ein, solle sich erst in fünf bis sieben Jahren rechnen.
Jenseits der Nacht
Für seinen Plan gewinnt Pütz bekannte TV-Gesichter: Tita von Hardenberg („Polylux“), Hellmuth Karasek („Das Literarische Quartett“) und Ruprecht Eser („Halb 12“). Und die schwärmen. „Die von Servus TV haben mir gesagt, Fernsehen darf auch mal anstrengend sein“, sagt beispielsweise Eser, der bis vor Kurzem beim ZDF gearbeitet hat, „das habe ich lange nicht mehr gehört.“
Seine neue Plattform bietet schon heute viel von dem, was die öffentlich-rechtlichen Programme oft vermissen lassen: Talkshows, die sich nicht nur von einem Top-Thema zum nächsten hangeln, sondern auch Wissenschaft und Kultur Raum lassen. Einen Sport-Talk, der nicht wie das „Aktuelle Sportstudio“ von der Tabellenjagd getrieben wird.
Servus TV setzt diese Formate auch nicht zu nachtschlafender Zeit an. Sie laufen zur Prime-Time. Der Red-Bull-Kanal beweist einerseits tatsächlich mehr Mut als gebührenfinanzierte Programmmacher. Andererseits bleibt der Sender klar eine Werbeplattform für seinen Konzern.
Senderchef Pütz sieht das anders: Servus TV sei ein eigenständiger Sender. „Red Bull TV hat bei uns ein Programmfenster – so wie ‚Spiegel TV‘ auf RTL.“ Ein Blick ins übrige Programm zeigt jedoch: Auch sonst ist Red Bull häufig im Bild. Lässt Servus TV etwa in der Heimat talken, dann stets im „Hangar-7“, dem Firmenmuseum von Red Bull. Dort stehen mehrere Dutzend alte Flugzeuge, allesamt mit dem Logo des Konzerns verziert – zwei roten Bullen.
Die 200 Mitarbeiter des Salzburger Senders müssen sich oft aber auch gar nicht sonderlich anstrengen, um Red Bull in Szene zu setzen. Denn Servus TV setzt stark auf Sport und dort ist Red Bull omnipräsent: Der Konzern hat Verträge mit Formel-1-Star Sebastian Vettel, Vierschanzentournee-Gewinner Thomas Morgenstern und ganzen Vereinen, wie dem österreichischen Eishockey-Ligisten Red Bull Salzburg.
Außerdem kreiert der Konzern eigene Sportarten wie die „Crashed Ice WM 2011“, im Januar übertragen von Kabel Eins. Eine Masche, die auch woanders funktioniert. Das Klippenspringen sendet beispielsweise das französische Fernsehen.
Nicht zuletzt setzt der Getränkehersteller auf eigene Klubs wie den Fußballverein RB New York mitsamt Altstar Thierry Henry. Zudem kaufte der Konzern den Provinzverein SSV Markranstädt, taufte ihn in Rasenballsport Leipzig um. Der Club spielt derzeit recht erfolgreich in der Vierten Liga. Red Bull Leipzig darf der Verein nicht heißen, weil Namen zu Werbezwecken verboten sind.
Dass RB Leipzig neben der „Sportschau“ und der „Sportreportage“ auch bei Servus TV Thema ist, kann man den Salzburgern nicht verübeln. Ein Servus-TV-Film zum hauseigenen Verein Ende Januar kam zudem selbstkritisch daher. „Scheiß Red Bull!“-Chöre aus der Fanbewegung inklusive.
Pütz stellt sich auf seinem Kanal vor allem ein „Alpen-Donau-Adria-Programm“ vor – ein privates 3sat, im deutschsprachigen Europa verankert. Servus TV hat sich mit der Österreichischen Eishockey-Liga bereits erste Liverechte gesichert. Zusammen mit dem WDR lässt Pütz gerade einen Doku-Dreiteiler zu Karl dem Großen produzieren. Und mit der Krimireihe „Commissario Montalbano“ steigt er ins Fiktionale ein.
Zugleich läuft eine Print-Offensive. In Österreich liegt gerade die dritte Ausgabe des Hochglanzmagazins „Servus“ an den Kiosken: 146 Seiten zu Wohnen, Kochen, Freizeit für 3,90 Euro – viel deckt sich mit den Inhalten auf dem Sender. Red Bull will so an den Boom des deutschen Magazins Landlust anknüpfen, das sich zuletzt gut eine halbe Million Mal allein an Kiosken verkaufte. Noch 2011 soll „Servus“ auch in Deutschland erscheinen.
Und auch Servus TV soll möglichst bald deutsches Publikum gewinnen: Spätestens im April läuft das Marketing an. Eigene Kanäle im Digitalen sind bereits gebucht, um deutsche Werbekunden zu überzeugen. „Wir glauben vor allem an Werbung von Premium-Marken, die in den Dritten Programmen der ARD, auf 3sat und Arte nicht werben dürfen und die in vielen Privatprogrammen nicht werben wollen, weil die Inhalte nicht zu ihnen passen“, sagt Pütz.
Solche Inhalte soll es bei ihm nicht geben: „Trashprogramme wie die Dschungel-Show, Gerichtsshows am Nachmittag und Sexwerbung am Abend finden bei uns auf keinen Fall statt.“
Das Problem von Servus TV: Solange viele Zuschauer in Deutschland noch analog fernsehen, wird der Salzburger Sender viele Menschen nicht erreichen. Servus TV gibt es hierzulande nur über digitales Kabel, den Satelliten Astra oder das neue Internet-Fernsehen wie etwa T-Home. Pütz will sich in Geduld üben: Das analoge TV finde doch ohnehin bald sein Ende.
Vorsprung durch Technik
Sein Sender setzt zudem auf hochauflösendes Fernsehen: „Bei uns geht nichts über den Sender, das nicht HD ist“, sagt Pütz. Weil Servus TV eben erst gestartet sei, habe er „von Anfang an auf HD-Technik setzen können“. Etablierte Sender müssten kostspielig umrüsten.
Und dann ist da noch Frank Schirrmacher, der Herausgeber der FAZ. Er ist ein mitteilsamer Servus-TV-Freund. Mitte März 2010 präsentierte er im „Talk im Hangar-7“ sein Buch „Payback“. Kein halbes Jahr später führte er selbst durch die Sendung. Seiner Begegnung mit dem Mondtouristen Neil Armstrong widmete er sodann eine Geschichte im eigenen Feuilleton. „Servus-TV“, schrieb der FAZ-Herausgeber dort, „hat leider keinen besonders attraktiven Namen, aber ein gutes Programm.“
Red Bull und die FAZ verbindet aber noch mehr: Seit Schirrmacher auf Servus TV talkte, zeichnet der Sender seine Gesprächsrunde ein Mal im Monat in den Berliner Räumen der FAZ auf – gegenseitige Nennung inklusive. Der FAZ liegt – wie auch der New York Times und Regionalzeitungen – das Red Bulletin bei, ein „fast unabhängiges Monatsmagazin“, wie es im Heft selbstironisch heißt. Zuletzt auf dem Titel prangten die Konzern-Schützlinge Vettel und Henry. Es wird also immer schwerer, Red Bull nicht zu sehen.
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