die Glückspille Prozac: Eine Milliardengeschäft für den Pharmakonzern Eli Lilly
John Rengen hat sein halbes Leben dafür gesorgt, dass die Produkte von Pharmakonzernen auf den Markt kommen, dass sie die Konkurrenz hinter sich lassen und ordentlich Rendite abwerfen. John Rengen kann viele Geschichten erzählen. Eine handelt von Fluoxetin, einem Stimmungsaufheller mit begrenztem Nutzen und lange verschwiegenen Risiken. Der 63-jährige ehemalige Pharmamanager hat jetzt angefangen auszupacken. John Rengen ist nur ein Pseudonym. Sein tatsächlicher Name ist John Virapen. Das Pseudnoym hatte der Exmanager für seinen Enthüllungsroman „Rubio spuckt’s aus. A Story from a Pharma-Insider“ gewählt, den er zusammen mit Olaf Nollmeyer im Trafo Verlag Berlin 2006 veröffentlichte. Seither fühlt er sich nicht mehr sicher. Manchmal lässt er sich von einem Bodyguard begleiten.
Worum geht es? Fluoxetin ist am besten bekannt unter dem US-Produktnamen Prozac. Es ist ein Mittel, das gegen Depressionen verordnet wird. In Deutschland heißt das Original von Eli Lilly Fluctin. Der Konzern hat mit dem Wirkstoff bereits viel Geld verdient. Seit 1990 ist das Mittel bei uns auf dem Markt. Noch immer werden pro Jahr über 35 Millionen Tagesdosen von Medikamenten mit Fluoxetin verkauft.
Das Mittel wurde von Anfang an stark beworben. Die Firma stellte heraus, dass ein neues Prinzip zur Anwendung kommt. Demzufolge beruhen Depressionen hauptsächlich auf einem Mangel an dem Botenstoff Serotonin, und Fluoxetin soll diesen Mangel an den Schaltstellen zwischen Nervenzellen verhindern können. Fluoxetin war der erste sogenannte selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI). Solche Mittel sollen dafür sorgen, dass an den Schaltstellen zwischen den Nervenzellen genügend Moleküle von dem Botenstoff Serotonin verfügbar sind. Mittlerweile wird der Wirkstoff auch von anderen Firmen verkauft. Und neue, ähnliche Medikamente sind auf dem Markt.
Kürzlich hat die Europäische Arzneimittelbehörde Emea in London dafür gesorgt, dass der alte Goldesel Fluoxetin noch lange nicht ausgedient hat. Sie hat die Indikation von Fluoxetin erweitert. Nun darf das Mittel auch Kindern ab acht Jahre mit Depressionen verordnet werden.
Vor allem das hat John Rengen alias John Virapen, der bis 1988 Geschäftsführer von Eli Lilly in Schweden war, mit seinen alten – und immer noch aktuellen – Geschichten auf den Plan gerufen. Sein erstes Buch handelt von seinem „Engagement“ für Lillys Fluoxetin. Ein Engagement, das ihm heute Alpträume beschert.
Ärger hat Rengen auch eine Buchvorstellung Mitte Dezember in Hamburg eingebracht. Veranstalter war ein von Scientology-Mitgliedern gegründeter Anti-Psychiatrie-Verein. Gegenüber der taz versicherte Rengen, er habe nur das Forum genutzt, ansonsten aber keine Verbindungen zu dem Verein oder der Scientology-Sekte. ELKE BRÜSER
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