: Die Herren von Los 40
Wer will schon nach Mongbwalu im Kongo? Für Goldsucher ist das ein spannender Ort. Mongbwalu war bis vor kurzem No-go-Area. Allein Namen wie Uganda, Ruanda und Kongo beschworen grausame Bilder von Völkermord herauf. Doch in Wahrheit ging es immer um den Zugang zu Rohstoffen, zum Gold
von ANIA FASS und ANDREAS ROLLHÄUSER
„Wenn es um Gold geht, beweist Gott seinen Sinn für Humor und Gerechtigkeit“, verkündete ein Manager von AngloGold Ashanti kürzlich, „jedenfalls hat er es an spannenden Orten platziert.“ An Orten wie Mongbwalu. Mongbwalu im Kongo, wo frühmorgens Nashornvögel und Papageien in den Baumkronen streiten. Wo kurz darauf der zarte Singsang der neun Schwestern aus der Missionsstation anhebt, Psalmen, in französischer Sprache. Wo der baumlange Soldat in der abgerissenen Uniform, einen Joint in der Hand, an der Straße lagert. Er bekommt keinen Sold, aber „Wegezoll“ von Passanten, die es nicht wagen, in seine verspiegelten Sonnengläser zu schauen – das Recht des Stärkeren. Mongbwalu, wo „Los 40“ liegt, eines der letzten großen Goldvorkommen der Erde, das noch nicht mit modernen Methoden ausgebeutet worden ist.
Die Firma AngloGold, ganz vorn unter den Global Players im Goldbergbau, nimmt dort Probebohrungen vor, die eine fette Rendite erwarten lassen. Ihre Geologen und Techniker haben sich in den weißen Holzpavillons aus belgischer Kolonialzeit eingerichtet. Auf dem Hügel überm Dorf, hinter Stacheldraht, bewacht von Sicherheitsdienst und deutschen Schäferhunden. Denn Mongbwalu war bis vor kurzem No-go-Area. „Stammesfehden“ hieß es offiziell, oder auch Bürgerkrieg. In Wahrheit ging es immer um den Zugang zu Rohstoffen, zum Gold.
Drei Tage ist es her, dass die Milizionäre noch einmal in der Mission vorbeischauten, um das Bargeld und die Handys der Priester mitgehen zu lassen. Seitdem sind sie weg, und man nennt es Frieden. Die Konzession in dem 100 mal 100 Kilometer großen Gebiet nahe der ugandischen Grenze will AngloGold ab 2009 ausbeuten. Bis dahin kann hier jeder suchen. Wo und wie er will.
„Manche Leute stellen sich vor, man müsse das Gold bloß auflesen. Aber das ist völlig falsch.“ Idi, Anfang 30, gehört zu den Menschen, die sich durch nichts aufhalten lassen. „Wer Gold finden will, muss erst mal hart arbeiten!“ Nach der Straße durch die fruchtbaren Hügel, hinter frisch bestellten Feldern mit Bohnen, Süßkartoffeln und Zuckerrohr, biegt Idi in einen kleinen Pfad ab, der steil bergab führt. Es wird eng, es wird lehmig, glatt. Wer Gold finden will, darf nicht um seine Schuhe fürchten, nicht um seine Knochen. Der Weg ist weit zu Fuß, Idi geht in seinen Bermudashorts voran und entschuldigt sich höflich für die Unannehmlichkeiten der Natur. Zweige schlagen einem ins Gesicht, der nächste Abstieg folgt, über Stufen, die in den Lehm getreten sind. Rutschen, stolpern, fallen. Idi tritt sicher, natürlich, blind fände er den Weg. Schon sein Vater hat in den Minen gearbeitet, und der Sohn hat jetzt ein eigenes Projekt: Er will eine alte Mine, die die Belgier vor ihrem Abzug in den 60er-Jahren unter Wasser gesetzt haben, trockenlegen und ausbeuten.
Stolz zeigt er sein Werk. Innerhalb eines Jahres hat er es geschafft, eine Stromleitung durch den Busch zu legen, komplett mit Masten und Transformatoren. Die Pumpe, das Herzstück der Arbeiten, liegt heute still, weil im ganzen Ort der Strom ausgefallen ist. Sie hat auch zu wenig Kapazität für die anfallenden Wassermengen. Kein Problem für Idi: Eine neue, größere liegt schon bereit.
Nicht nur der Urwald, nicht nur der Krieg, es reicht schon der Regen, um Idi das Leben schwerzumachen. Dieser Regen, der immer gegen Mittag kommt. Pünktlich tauchen schwere, graue Wolken auf, der Himmel zieht sich zu und schüttet aus. Schlägt nieder. Gar nicht so lange. Doch die Piste, roter Lateritschlamm, ist dann spiegelglatt, der aufsteigende Dampf riecht nach Erde. Nur mit Glück und äußerster Vorsicht halten sich Fußgänger auf den Beinen.
Der Jungunternehmer hat behauptet, dass fünfzig, sechzig Leute für ihn arbeiten. Jetzt sind nur ein paar Männer zu sehen, die Bohnen ernten. Zwischen den Bohnen stehen Hanfpflanzen. Kiffen verkürzt den Arbeitern das Warten. Weiter hinten, unter einer großen Plastikfolie, ein Nachtlager. Und mehr Leute. Mit Spaten legen sie einen Stolleneingang frei. Die Erde, die sie schaufeln, wird sofort durchgesiebt. Die erste Ausbeute könnte ja schon darin verborgen sein.
Viel braucht es nicht, um das herauszubekommen. Ein dicker, schimmernder Tropfen in der bloßen Handfläche: Quecksilber. Ein Arbeiter lässt es in die rote Schüssel gleiten, verrührt es mit Wasser und Erde, immer noch mit ungeschützten Händen, gründlich, etwa zehn Minuten lang. Die Goldpartikel aus der Erde verbinden sich nach und nach mit dem Quecksilber zu einem Klumpen. Den legt Idi in ein Taschentuch und presst ihn aus. Das Gold löst sich und bleibt als kirschkerngroßes Stück im Tuch zurück. Braun, silbrig, unscheinbar. Auf einem Löffel wird es über dem Feuer erhitzt. Um die giftigen Dämpfe schert sich dabei keiner. Ganz allmählich bekommt das Gold auch seine goldene Farbe. Fertig zum Verkauf. Zwei Gramm vielleicht. Langsam wickelt Idi das Klümpchen ein.
Der Lohn für Mühsal kann enttäuschend sein. Die Soldaten, die Befreier, sie sind zu Fuß einmarschiert, um die Milizen zu vertreiben. Dafür hat sie keiner bezahlt. Jetzt verwandeln sich die Befreier zu Herren und fordern Friedenslohn überall.
Andere kommen mit dem Auto nach Mongbwalu, um Waren zu bringen. Ein verbeulter Toyota-Pick-Up kriecht die abschüssige Piste entlang – mit Schneeketten. Er kommt aus Bunia, das sind achtzig Kilometer, es kann fünf Tage dauern. Der Kraftakt verhilft den weitgereisten Artikeln des täglichen Lebens zu teuren Preisen und den Geschäften zu teuren Namen. „Sheraton“ heißt die Herberge, „Kino Olympia“ der Videoschuppen und „Jesus est vivant“, Jesus lebt, die Apotheke. Dabei hat kaum eine der hölzernen Buden entlang der Hauptstraße eine zweite Etage – eine Westernkulisse, die sich gegen das Scheitern wehrt.
Das Gold schafft hier keinen Wohlstand. Zu Geld machen es andere. Die neuen Herren von der kongolesischen Armee, so heißt es, genau wie die pakistanischen Blauhelme, die geschickt wurden, in dieser Wildnis für Ordnung zu sorgen. Nach Mongbwalu kommt schließlich niemand umsonst.
Zweimal pro Woche fliegt der russische Helikopter im Auftrag der UN-Interventionstruppe von Bunia nach Mongbwalu. Zwanzig Minuten über dicht geschlossene Baumwipfel, nur ab und zu eine Lichtung mit ein paar Lehmhäuschen. Dann die Landung. Die Passagiere hängen die Ohrenschützer wieder über die Schnur, die Tür öffnet sich. Stille. Grüne Wiese, von Blauhelmen umstellt, pakistanische Soldaten mit Maschinenpistolen im Anschlag. Das Westerndorf liegt unten im Tal verborgen, sichtbar ist nur, was auf Hügeln steht: die Kirche, die Mission, die Schule, die belgischen Pavillons. Auf dem bequemen Luftweg können Delegationen kommen, Menschenrechtsbeobachter, Journalisten, der Bürgermeister empfängt sie. Sie warten neben dem rostigen Container, dem Vorder- und Rückfront fehlen: das Büro des Immigrationsbeamten. Sonst ist hier nichts.
Buki sieht sie vorbeifahren, wenn er in seiner Bude sitzt. Er schaut oft auf die Hauptstraße, auf die Passanten im roten Schlamm, denn meistens gibt es nicht viel zu tun. Auch heute trägt er nur ein kleines Klümpchen, eingepackt in Silberpapier, in der Hosentasche. Gerade mal fünf Gramm Gold. Vielleicht liegt es am Regen … Er nimmt es, wie es kommt, er hat auch den Schuppen genommen, wie er war. Das Goldkontor ist ein kahler Verschlag, nackte Wände, ein Stuhl. Keine Waren, kein Schmuck. Bukis Plastikanorak knistert, als er sich erhebt, um seine einzigen Werkzeuge zu zeigen: eine Briefwaage, ein paar kongolesische Blechmünzen –„Likutas“ – aus den 60er-Jahren und Wachsstreichhölzer. Er kauft Gold, das muss er wiegen und bezahlen. Ein Wachsstreichholz zählt ein Zehntelgramm, erklärt er, und ein Likuta ein Gramm. „In Wirklichkeit ist es weniger als ein Gramm, aber hier ist es eben immer so gewesen: Ein Likuta macht ein Gramm!“ Auch ein Maß ist hier nur Konvention.
Zurzeit gibt Buki 14 Dollar für das Gramm. Das Geld dafür wird ihm von Zwischenhändlern vorgestreckt, die für eine bestimmte Menge Gold einen Fixpreis bieten. Kauft Buki günstiger ein, macht er Profit. Die Zwischenhändler wiederum kommen im Auftrag von Großhändlern in Bunia oder Butembo, die das Gold dann außer Landes bringen. Fast alles nach Uganda, dessen Goldexporte dank des Kongo-Goldes die eigenen Vorkommen um das Hundertfache übersteigen. Der kongolesische Staat dagegen geht leer aus. Und das, obwohl die staatliche Minengesellschaft „Office des Mines d’Or de Kilo Moto“ (Okimo) offiziell das Erbe der belgischen Kolonialherren antrat, die den ganzen Kongo in Bergbau-Lose unterteilt hatten.
Die Okimo ist seit den gewaltsamen Umwälzungen der 90er-Jahre nicht mehr selbst im Bergbau aktiv. 90 Prozent der Rechte an „Los 40“ hat sie an die südafrikanische Firma AngloGold verkauft. Ansonsten aber gehört ihr der Boden mit allem, was darin steckt, gehört ihr das Elektrizitätswerk, das immer wieder tageweise ausfällt, das Krankenhaus, in dem es an allem fehlt; sie besitzt die Reihenhäuser der Minenarbeiter und die Pavillons.
Buki weiß auch nicht, warum Kongo nicht von seinem Gold profitiert. Politik interessiert ihn nicht. Buki wüsste lieber, ob heute noch jemand aufkreuzt. Vielleicht niemand. Vielleicht einer mit dreißig oder fünfzig Gramm. Er kann nur warten. Sie werden schon kommen, denn Buki arbeitet, wie alle seine Kollegen, mit Krediten. In Mongbwalu gibt es vierzig Goldkontore. Vierzig Händler, die den Goldsuchern Geld vorschießen und sie so an sich binden.
Und Lombu kommt. Wie jeden Tag lässt er sich auf dem Bänkchen vor dem Goldkontor nieder. Diesmal hat er kein Gold dabei, er möchte plaudern. Der energische Mann mit dem kantigen Gesicht spricht stets laut, er erklärt gut, und er ist sehr direkt. Sein Arbeitgeber ist ein Pächter eines Pächters bei der Okimo.
„Usine“ heißt der Ort hier im Jargon, Fabrik, aber das Wort führt in die Irre. In der Fabrik gibt es nichts mehr zu arbeiten. Von dem Goldbergwerk, in dem früher das Gestein maschinell gemahlen und ausgewaschen wurde, steht nur noch das Stahlskelett. Das Gebäude wurde im Bürgerkrieg niedergebrannt. Jetzt erstreckt sich vor der Ruine ein Krater, so groß wie drei Fußballfelder und bis zu 15 Meter tief. Ein Wasserlauf fließt an seinem Boden entlang, an manchen Stellen bildet er kleine Seen. Hunderte junger Männer durchsuchen Tag für Tag den Schlamm nach Goldpartikeln.
All die Menschen, die lehmbespritzten Kleider und Gesichter, die nackten Oberkörper, die Bewegung, das Hin und Her im Krater lassen kaum ahnen, dass in diesem braunen, durchweichten Relief durchaus eine klare Ordnung herrscht. Lombu erklärt die Regeln. Die Goldsucher arbeiten in kleinen Gruppen an jeweils einem „Trou“, einem Claim. Sie schaufeln, zum Teil hüfthoch im Wasser stehend, unentwegt Erde in grobe Siebe, wo sie mit Wasser gemischt wird. Dann gießen sie die Mischung auf abschüssige Rutschen, die mit alten Wolldecken ausgekleidet sind. An den Decken sollen sich die Goldpartikel absetzen. Es ist Schwerstarbeit. Irgendwann, so die Hoffnung, werden sie unter den obersten Schichten den „Goldsand“ erreichen, und dann wird die Sache sich lohnen.
Jeder kleine Trupp arbeitet im Auftrag eines „Chef de Trou“, des Claimchefs. Dieser hat eine Parzelle der weiten Grube von einem PDG, einem Président Délégué Générale, gepachtet und stellt die Arbeitsmittel bereit. Der PDG wiederum ist Pächter bei der Okimo. Ihr muss er 30 Prozent des gefundenen Goldes abtreten. Dass aber die 30 Prozent tatsächlich gezahlt werden, ist zweifelhaft – wer sollte das auch wie kontrollieren? „Nicht dass jemand die Zahlung direkt verweigert“, lacht Lombu, „von irgendwas müssen ja auch die Leute bei der Okimo leben.“ Auch Verträge sind nur Konventionen. Nach elastischen Regeln lebt es sich leichter. Über Geld und Gold lässt sich wenigstens verhandeln – im Gegensatz zu Fehden oder Krieg. Die plötzlich einbrechende Dunkelheit des afrikanischen Kontinents beendet auch die Arbeit in der Usine. Kunstlicht gibt es keins. Das Elektrizitätswerk gehört ja der Okimo, und Strom produzieren kostet Geld …
Das raue Knattern der chinesischen Kleinmotorräder, die gegen ein Entgelt Passagiere transportieren, ist der neue Sound des kongolesischen Ostens. Die meisten Mopeds wurden erst vor kurzem von ehemaligen Milizenchefs angeschafft, die ihr durch Raub, Mord oder Erpressung erworbenes Vermögen nun in legale Geschäfte wie Fuhrunternehmen investieren. Senke-Motorräder sind die einzigen Transportmittel, die Schlaglöcher und zugewucherte Straßen einigermaßen überstehen. Auf der Sitzbank wiederum ist tiefer Glaube gefragt, Glaube an Geschick und Lebenswillen des Fahrers, an den guten Stern, an den Sinn der Reise …
Mehr rutschen als fahren über die spiegelglatten Flächen, tiefe Pfützen durchpflügen, steckenbleiben, die Fahrer helfen mit den Füßen nach. Die klapprige Holzbrücke noch, dann die Hauptstraße. Der Ort. Die Kneipe. Tonlos fällt der Strom aus. Kaum jemand hat einen Generator. Auf die Terrasse eines Lokals scheint trotzdem etwas Licht, von weit her. Drei Einheimische sitzen am Tisch und ein gutgelaunter Goldsucher. Gespräche beginnen immer gleich. Wie frei und erleichtert sich alle fühlen, seit die Soldaten der regulären Armee die Milizen vertrieben haben.
Plötzlich eilige Schritte hinter der Terrasse, im Finstern. Nichts zu erkennen. Es ist wieder still. „Ein betrunkener Soldat“, beruhigt ein Mann, „er ist einem Jungen hinterhergerannt.“ Ein Kollege hat ihn wohl schließlich in die Kneipe nebenan zurückgeholt. Das Primus-Bier macht den Goldsucher redselig: Wenn man zwanzig Dollar am Tag verdient, meint er, gibt man sie noch am selben Abend aus. Weil man ja am nächsten Tag wieder etwas findet. So ist hier das Leben. Wo Gold liegt, sitzt das Geld locker. Ein Schrei kommt aus dem Dunkel, ganz unvermittelt, der Schrei einer Frau. Ein Soldat hält sie fest. Sie trägt ein Baby auf dem Rücken. Der Soldat lässt sie nach kurzem Handgemenge los. Er entdeckt den Tisch auf der Terrasse, er kommt herüber, er lehnt sich an einen Pfeiler, schaut schweigend auf die Runde. Die Köpfe haben sich gesenkt. Wer hochschaut, sieht in blutunterlaufene Augen. Schweigen. Der Soldat zieht ab. Eine Ahnung, was Frieden hier bedeutet.
Gummistiefel wären am besten, beharren die jungen Männer. Sie selbst tragen nur billige Plastiksandalen und waten leichtfüßig durch die Pfützen. Über der Schulter, auf dem Kopf schleppen sie Vorschlaghämmer, Meißel und Säcke voll Holzkohle. Paul geht voran, der jetzt zwei Taschenlampen hervorholt, sie lagen gut gesichert in einem Spind mit einem Vorhängeschloss. Die dritte Mine, ein gefährlicher Ort. Durch das aufgebogene Metalltor des stillgelegten Bergwerks drücken sich die Arbeiter in den ersten Stollen. Eine lichtlose Röhre, bedrohlich hallen die Schritte, schon ist die Hand vor Augen nicht mehr zu sehen. Unwillkürlich will man flüstern, es riecht fremd, von Ferne dröhnen Hammerschläge. Weitergehen. Die Sandalen schmatzen im kühlen Wasser, bis ein Felsbrocken den Weg versperrt. Es gibt einen Pfad drum herum, durch knietiefes Wasser. Dann eine Kreuzung, rechtsherum, weiter den Schlägen nach. Und wieder Felstrümmer. Paul nimmt die Lampe in den Mund, die Hände braucht er zum Klettern. Die Felsen hinauf, exakt die Zehen auf genau diesen Stein gesetzt, und dann den, in die schwachen Lichtkegel, ein paar Meter nach oben. Nur keinen Fehler machen.
Vier Männer am Boden des finsteren Schachts. Sie schöpfen mit Plastikschüsseln Wasser ab, sie leuchten die Ecken genau aus, mit offenem Feuer brennen sie das Gestein mürbe, dann schlagen sie mit Hammer und Meißel Brocken ab, die sie nach draußen schleppen, wo die Goldgewinnung beginnen kann. Weitere Grüppchen arbeiten noch weiter drin im Berg, an grausigen Plätzen, die man nur auf den Knien erreichen kann, kriechend durch den Qualm der Holzkohlenfeuer … Genug gesehen. Paul lacht, er ist es gewohnt, hier verbringt er seine Tage.
Nach Pauls Mine ist der freie Himmel mit seinem Regen, sind die Wege mit ihren Soldaten eine Wohltat. Entlang der Hauptstraße, in den kleinen Holzbuden, wird gehandelt, geredet, getrunken. Geld wartet auf neue Besitzer, Soldaten warten auf Beute, Familien auf Sicherheit. Doch Sicherheit will das Gold nicht geben. Allenfalls einen Rhythmus, eine Hoffnung, eine Spannung, die die andere Angst vertreibt. Ein Senke-Moped schlittert vorbei. Vögel kreischen. Aus dem Wald kommen Frauen, schwere Holzlasten auf dem Kopf, die sie heimwärts ins Tal balancieren, durch die Westernkulisse, bis sie irgendwo zwischen den Häusern verschwinden.
Früher Morgen, der grüne Landeplatz, die Blauhelme. Der Immigrationsbeamte will fünf Dollar für Stempel, nach einigem Hin und Her verliert er die Lust. Stille, Warten. Da kommen die Russen mit dem Helikopter. Aussteigen, UNO, Menschenrechte, Piloten. Einsteigen. Diesmal reisen Gefangene mit. Am Geruch ist zu erkennen, dass sie sich tagelang nicht haben waschen können, schmutzige Kindersoldaten in Handschellen. Zum ersten Mal im ihrem Leben das Privileg der kurzen Reise. Kein roter Schlamm, keine Schlaglochpiste. Ihre Heldentaten werden sie hinter sich lassen – Überfälle, Mord, Kannibalismus, Nötigung, Vergewaltigung. Ohrenschützer auf, der Rotor hebt an. Regen kann man im Himmel nicht sehen. Lehmhütten stehen auf Lichtungen. Dichter Urwald schließt sich unten, über Mongbwalu, dem Frieden und dem Gold.
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