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Arbeitskampf bis aufs Blut

Wegen eines Streiks gehen die Blutkonserven aus, warnt der Blutspendedienst des Roten Kreuzes. Gewerkschafter bezweifeln das. Die Mitarbeiter kämpfen weiter für neuen Tarifvertrag

VON JULIA GROTH

„Blut ist ein ganz besond‘rer Saft“ sagt Mephistopheles in Goethes „Faust“. Menschen, die auf eine Blutspende angewiesen sind, dürften das ähnlich sehen. Derzeit tobt in einigen Spendeeinrichtungen in NRW ein Streit, der das Blut im Land aber möglicherweise knapp werden lässt. Für die 880 Angestellten des Blutspendedienstes West (BSD) des Deutschen Roten Kreuzes fordert die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi seit mehr als einem Jahr eine Bindung an den Tarifvertrag öffentlicher Dienst. Als fast ein Drittel der Mitarbeiter des BSD Anfang dieses Monats in den Streik traten, wurde der Tarifstreit zu einem Streit über Blutkonserven.

Der BSD erklärte nach wenigen Tagen, dass die Versorgung mit Spenderblut nicht mehr gesichert sei. „Was Verdi macht, ist eine ungeheure Verknappung der Blutkonserven“, sagt BSD-Sprecher Friedrich-Ernst Düppe. Deshalb hat der BSD vor den Arbeitsgerichten in Hagen, Münster und Düsseldorf durchgesetzt, dass der Streik für acht bis 14 Tage unterbrochen werden muss. „Wir haben alles aufgekauft, was bundesweit an Blut zu kriegen ist“, sagt Düppe. Die Kühlschränke seien leer, ein Fortsetzen des Streiks fatal.

Verdi-Verhandlungsführer Wolfgang Cremer mag das nicht glauben. Die Gewerkschafter seien „sehr schonend“ vorgegangen und hätten nicht alle Standorte des BSD bestreikt. Unter anderem sei das Zentral-labor in Hagen verschont geblieben. „Wenn das Blut schon bei einem Streik knapp wird, wie sieht es dann erst im Katastrophenfall aus“, fragt er. Cremer wirft dem BSD vor, sich nicht hinreichend um den Zukauf von Blutkonserven gekümmert zu haben. Zudem könne er nicht einwandfrei beweisen, dass das Blut tatsächlich fast ausgegangen sei.

„Ein Streik beim Blutspendedienst West hat erhebliche Auswirkungen auf die Blutversorgung in Nordrhein-Westfalen“, glaubt allerdings auch die Transfusionsärztin Gabriele Hutschenreuter von der Arbeitsgemeinschaft der Ärzte staatlicher und kommunaler Bluttransfusionsdienste. Die Gemeinschaft vertritt die Interessen nicht-privater Blutspendedienste. Neben den privaten Diensten wie dem vom Roten Kreuz gibt es in NRW 21 staatliche und kommunale Einrichtungen zum Blutspenden, viele davon in Uni-Kliniken. Trotzdem deckt der Blutspendedienst West, zu dem sich vor fünf Jahren die Blutspendedienste des Roten Kreuzes in NRW und Rheinland-Pfalz zusammengeschlossen haben, nach eigenen Angaben etwa 70 Prozent des Bedarfs ab.

Hutschenreuter hält das für problematisch. „Monopolisierungen sind generell nicht gut, und vor allem bei der Blutversorgung sollte die Verantwortung auf mehreren Schultern liegen“, sagt sie. Dezentrale Blutspende-Möglichkeiten seien auch für Katastrophenfälle sehr wichtig. Einen Streik der Angestellten im Spendedienst hält sie für „unverantwortlich“, weil davon die unmittelbare Krankenversorgung betroffen sei.

Verdi hingegen bezeichnet die von den Arbeitsgerichten verordnete Zwangspause als einen massiven Eingriff ins Streikrecht und hat vor dem Landesarbeitsgericht in Hamm Berufung gegen die Urteile eingelegt. Heute wird darüber verhandelt, ob die Streikpause in Münster fortgesetzt werden muss oder nicht. In Hagen ist sie heute bereits wieder vorbei und die Gewerkschafter streiken weiter. Verhandlungsführer Cremer kündigt an, dass der Streik erst beendet werde, wenn der BSD den von Verdi verlangten Tarifvertrag annimmt. Auch während möglicher weiterer Verhandlungen werde die Arbeit nicht wieder aufgenommen. „Wir können diesem Arbeitgeber nicht mehr trauen“, sagt Cremer.

Ende vergangenen Jahres zeigte sich der BSD zunächst verhandlungsbereit. Im Dezember schlug er aber einen Kompromiss vor, den Verdi als inakzeptabel zurückwies.

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