: Erfahrung statt Jugend
Weil die Deutschen immer älter werden, gibt es auch mehr und mehr ältere Arbeitnehmer. Wer in Zukunft Mitarbeiter über 50 entlässt, könnte große Lücken in der Belegschaft bekommen
VON JULIA GROTH
In dem Dreiteiler „2030 – Der Aufstand der Alten“, den das ZDF derzeit ausstrahlt, kämpfen militante Alte für ihre Rechte in einem Deutschland mit völlig marodem Renten- und Pflegesystem. Auch heute sind ältere Menschen oft schlechter gestellt als junge, vor allem auf dem Arbeitsmarkt. Nach dem 40. Geburtstag ist die Stellensuche schwierig, nach dem 50. nur noch frustrierend. Dabei werden dem nordrhein-westfälischen Landesamt für Statistik zufolge die 45- bis 55-Jährigen schon in acht Jahren die größte Gruppe unter den Erwerbstätigen in NRW sein. Die Universität Bielefeld bietet sogar einen neuen berufsbegleitenden Studiengang an, der Unternehmen auf die Bedürfnisse einer immer älteren Belegschaft vorbereiten soll (siehe Interview).
„Es gibt den Hype, junge, flexible und mobile Leute einzustellen und alte freizusetzen“, sagt Werner Marquis vom Landesamt für Statistik. „Aber das Potenzial bei den Jüngeren wird geringer, die demografische Entwicklung erfordert ein Umdenken.“ Unternehmen müssten die Bevorzugung der Jugend aufgeben, sonst drohten ihnen bald die Fachkräfte auszugehen. „Das ist keine Chimäre, die in 50 Jahren kommt. Das ist ein absehbarer Zeitraum“, verdeutlicht Marquis die Aktualität des Problems.
Die meisten Unternehmen würden ihre Personalpolitik aber zu kurzfristig ansetzen. Erst wenn Produktionsabläufe wegen Mangel an Arbeitskräften gefährdet seien, würden mehr Menschen über 50 eingestellt, schätzt Marquis.
Einige Unternehmen haben allerdings schon damit begonnen, ältere Menschen gezielt zu sich zu holen. Ganz im Sinne der Bundesinitiative „Perspektive 50plus“, einem Programm zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Langzeitarbeitsloser, stellt die etwa Baumarktkette Bauhaus Über-50-Jährige ein, damit sie den Kunden Kompetenz und Erfahrung vermitteln.
Mehr ältere Arbeiter in einem Betrieb heißt für die Arbeitgeber aber auch, sich auf mehr körperliche Gebrechen einstellen zu müssen. Technische Unterstützung müsse her, fordert Marquis. „Die Leute müssen dann auch eher von der Werkbank weg und statt dessen ihre Erfahrung weitergeben.“ Außerdem bräuchten sie regelmäßige Fortbildungen, um länger für ihren Beruf qualifiziert zu bleiben.
„Das wird schon systematisch gemacht“, sagt der NRW-Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK), Hans Georg Crone-Erdmann. Mit über 50 Jahren sei die Befähigung zu arbeiten nicht verschwunden. Nur das Wissen um aktuelle Entwicklungen, beispielsweise im Bereich der Telekommunikationstechniken, müsse gelegentlich aufgefrischt werden. Wichtig sei aber auch, die Belegschaft eines Betriebs altersmäßig zu mischen. „Ein Betrieb, der heute nur junge Mitarbeiter hat, hat in 30 Jahren nur alte“, sagt Crone-Erdmann. Die IHK werbe derzeit dennoch vermehrt für die Ausbildung von jugendlichem Nachwuchs. Denn der werde schließlich bald knapp.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen