: Lex Airbus vor Gericht sanft gelandet
Piste im Airbus-Werk Hamburg darf verlängert werden: Die Enteignung von 22 Eigentümern eines Sperrgrundstücks ist rechtens. Der Bedarf ist fraglich: Offenbar zieht auch der letzte Kunde für den A 380-Frachter seine Bestellung zurück
Die Startbahn des Airbus-Werks Hamburg-Finkenwerder darf verlängert werden. Das Landgericht Hamburg entschied gestern, die Eigentümer eines Grundstücks direkt vor der projektierten Piste dürften enteignet werden. Diese Maßnahme der Stadt Hamburg ist im eigens dafür erlassenen Werkflugplatz-Enteignungsgesetz vorgesehen, das Kritikern deshalb als eine „Lex Airbus“ gilt. Die Betroffenen werden vermutlich Revision vor dem Oberlandesgericht einlegen, diese aber hat keine aufschiebende Wirkung.
Der Ausbau der Piste bis ins angrenzende Obstbauerndorf Neuenfelde hinein ist bereits im Gange und soll im Sommer fertig sein. Airbus benötigt sie nach eigenen Angaben für die schwerere Frachtversion des Riesenjets A 380. Gegenüber der Stadt hatte der Konzern sich zudem verpflichtet, ein Auslieferungszentrum für die Passagiermaschinen des A 380 zu errichten.
„Das Interesse der Allgemeinheit an der Schaffung von Arbeitsplätzen überwiegt das Interesse der Eigentümer erheblich“, heißt es in der Urteilsbegründung. Die Produktion und Auslieferung des A 380 in Finkenwerder sei durch den Vertrag zwischen Hamburg und Airbus dauerhaft sichergestellt. Die sofortige Ausführung der Bauarbeiten sei aus Gründen des Allgemeinwohls dringend geboten.
Das rund 100 Quadratmeter große Grundstück ist im Besitz von 22 Eigentümern, zumeist Obstbauern aus der Umgebung. Nach Ansicht des Hamburger Senats verfolgten diese den einzigen Zweck, mit dem Sperrgrundstück den Werksausbau zu verhindern. Die Besitzer wiesen vor Gericht erfolglos darauf hin, sie unterhielten dort eine Messstation. Damit sollten ökologische Folgen des Flugbetriebes auf die nahe gelegenen Obstplantagen dokumentiert werden.
Wegen der wirtschaftlichen Krise bei Airbus ist der Bau des Auslieferungszentrums allerdings zurzeit in Frage gestellt. Für das Gericht ist das jedoch „unerheblich“. Eine neue Faktenlage könne aber entstehen, wenn das Sparprogramm „Power 8“ des Konzerns demnächst entscheidende Änderungen für das Hamburger Werk vorsehe.
Erst nach der Urteilsverkündung wurde bekannt, dass der US-Expressdienst UPS seine Bestellung für zehn A 380-Frachter zurückziehen wolle. Damit würde Airbus den letzten Kunden für das Flugzeug verlieren. Die Neuenfelder Landwirtin Gabi Quast, eine der Klägerinnen, und ihre Anwälte vermuten nun „Prozessbetrug“ und prüfen „strafrechtliche Schritte“. Sven-Michael Veit
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