LIEBESERKLÄRUNG: Michael Hartmann
POLITIK AUF CRYSTAL METH? KEINE GUTE IDEE. ABER AUCH KEIN GRUND MEHR, VON ALLEN ÄMTERN ZURÜCKZUTRETEN
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann gesteht, Crystal Meth in „geringer eigenverbrauchsüblicher Menge“ bei einer Dealerin gekauft und einen Monat lang konsumiert zu haben – und beteuert, er habe danach den Konsum wieder eingestellt. Das Interessanteste an der Causa ist aber: Hartmann hat seine Funktion als innenpolitischer Sprecher der SPD zwar aufgegeben, sein Bundestagsmandat aber nicht zurückgegeben. Wie es aussieht, scheint ihn auch niemand dazu zu drängen und er auch nicht vorzuhaben, das zu tun. Sogar der Chef der Polizeigewerkschaft wünscht sich, dass Hartmann in seine Funktionen als führender Sicherheitspolitiker wieder zurückkehrt.
Ein Politiker, der sich eine der härtesten Drogen reinzieht, die am Markt zu haben ist – das evoziert Bilder mit einer gewissen Rock-’n’-Roll-Romantik vom „wilden Leben“, wenngleich der pausbäckige Hartmann kaum zum Keith Richards der Politik taugt. Er habe seine Leistungsfähigkeit steigern wollen, lässt er ausrichten. Politik auf Speed. Nun sind die Koksrückstände auf den Bundestagstoiletten legendär, auch wenn da wohl mehr Übertreibung vom Hörensagen als Realität dahinterstehen mag.
Hartmann hat gewiss, was die geschriebenen Regeln des Gesetzbuchs und die ungeschriebenen Regeln seiner Branche angeht, einen Fehler gemacht. Einen Fehler im Bereich des privaten, persönlichen Verhaltens, keinen politischen Fehler. Und er tritt nicht zurück. Das ist gut so. Erstens, weil Menschen nun einmal Fehler machen. Zweitens, weil heutzutage viel zu oft aus vergebungswürdigen persönlichen Gründen zurückgetreten wird und deutlich seltener aus politischen.
Insofern ist der Fall Hartmann womöglich eine Trendwende: Man kann der medialen Meute entkommen. Jeder baut mal Scheiß. So what?
ROBERT MISIK
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