: Verbraucherschutz durch mehr Demokratie
■ Nach BSE-Desaster neue Rechte fürs EU-Parlament. 13.000 Tote befürchtet
Berlin (taz) – Der Präsident der EU-Kommission, Jacques Santer, hat vor dem Untersuchungsausschuß „Rinderwahnsinn“ des EU- Parlaments mehr Verbraucherschutz versprochen. Zu diesem Zweck will die Kommission – wie vom Ausschuß gefordert – dem Parlament künftig deutlich mehr Mitbestimmungsrechte zugestehen.
Darüber hinaus hat Santer die Umorganisation der fachlich zuständigen Abteilung der EU angekündigt. Die Zuständigkeit des EU-Agrarressorts werde beschnitten und die der Abteilung für Verbraucherschutz gestärkt. In diesem Zusammenhang sicherte Santer auch zu, daß der wissenschaftliche Veterinärausschuß, der bislang die EU-Kommission in Sachen „Rinderwahnsinn“ beraten hat, nicht mehr der Generaldirektion Landwirtschaft, sondern der wesentlich kleineren Abteilung für Verbraucherschutz und Gesundheit unterstellt werde.
Nicht reagiert hat Santer dagegen auf die Forderung der Ausschußmitglieder nach der Einleitung von „personellen und disziplinären Schritten“ gegen Verantwortliche innerhalb der Kommission, die sich in Sachen BSE der „Vertuschung und der Verharmlosung“ der Seuche schuldig gemacht haben sollen.
Santer lehnte jede Verantwortung der aktuellen EU-Kommission für alle Vorgänge vor dem Jahr 1995 ab. Die früheren Agrarkommissare der EU, der Ire Ray McSharry und der Luxemburger René Steichen, denen der Ausschuß „Fehlverhalten in mehreren Punkten“ vorgeworfen hatte, sind tatsächlich längst schon gutdotierte EU-Pensionäre. Und deshalb, so die Konklusion von Santer, sei auch ein von den Grünen und den Sozialisten im Ausschuß angestrebtes Mißtrauensvotum gegen die amtierende Kommission unangebracht.
In einem vorab veröffentlichten Bericht der Zeitschrift Nature berichtet ein britisches Forscherteam, daß über die Übertragungsmechanismen von BSE auf den Menschen (Creutzfeld-Jacob- Krankheit) noch immer zuwenig bekannt sei. Die Möglichkeit einer großen Epidemie könne allerdings nicht ausgeschlossen werden: „Falls in diesem Jahr die Zahl der Erkrankungen auf 30 und im folgenden Jahr auf 50 zunehmen sollte, könnte es zu einer Epidemie mit bis zu 13.000 Fällen kommen.“ In den Staaten der EU ging der Rindfleischkonsum 1996 im Vergleich mit dem Vorjahr um zehn Prozent auf 6,66 Millionen Tonnen zurück. Klaus-Peter Klingelschmitt
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