piwik no script img

Bsirske – ein Mann von gesternKommentar von Nick Reimer

Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, Frank Bsirske, hat nach Berlin zum Protest geladen: gegen die Energiepolitik der EU-Kommission, gegen die Vorreiterrolle Europas beim Klimaschutz, vor allem aber gegen die Mehrheit der Deutschen. Fast eine Stunde lang redete sich der Gewerkschaftsboss um Kopf und Kragen: Er offenbarte nichts als altes Denken.

Längst weiß jedes Kind: Engagierter Klimaschutz kostet nicht Arbeitsplätze, sondern schafft Arbeitsplätze. Statt Brüssel aufzufordern, deutlich mehr Klimaschutz von der deutschen Industrie zu verlangen, prangert Bsirske Klimaschutz als Gefahr für den Standort Deutschland an. Hier irrt Bsirske völlig: Brüssel versucht eben nicht, auf Kosten der deutschen Industrie das Klimaziel der EU zu retten. Brüssel versucht, trotz der deutschen Klimapolitik sein Versprechen noch zu halten. Seit Anfang des Jahrzehnts steigen die deutschen Emissionen nämlich wieder.

8 Prozent Treibhausgas – so viel muss die EU bis 2012 gegenüber 1990 eingespart haben. Nach 15 Jahren aktiver Klimapolitik sind gerade 0,9 Prozent geschafft. Klar ist also: Nur radikales Umsteuern kann den Planeten noch retten. Wenn nämlich die EU ihr Ziel nicht erreicht, wird kein anderer Staat der Welt in den Klimaschutz einsteigen.

Radikal umsteuern geht nur gegen, nicht mit der Industrie. Die Selbstverpflichtung zu CO2-Grenzwerten bei Autos, zur Absenkung eigener Emissionen oder zum Ausbau der hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplung, nichts hat die Industrie eingehalten. Stattdessen hat sie immer nur bewiesen, wie Klimaschutz nicht geht. Wie er geht, darüber schweigt sie sich aus. Also muss – wenn schon nicht die klimagescheiterte Bundesregierung – die Kommission radikal umsteuern. Was sie dankenswerterweise tatsächlich tut: Enteignung der Stromnetze, höhere Auflagen im Emissionshandel und seine Ausweitung auf den Flugverkehr, Grenzwerte für Autoabgase – das alles kann nur der Anfang eines Umsteuerns sein. Wer – wie Bsirske gestern – diesen Anfang torpediert, hat nichts begriffen. Seine Botschaft lautet nur: Zählt bei der Lösung des Klimaproblems nicht auf die Gewerkschaften.

brennpunkt SEITE 5

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen