: China droht dem Bundestag mit Kaltfront
Der Bundestag verurteilt heute das System chinesischer Zwangslager. Die Botschaft in Berlin ist verärgert
BERLIN taz ■ Die Beziehungen zwischen Deutschland und China dürften heute einer Belastungsprobe ausgesetzt werden: Der Bundestag will einen Antrag beschließen, in dem das System der Laogai-Lager in China verurteilt wird. „Während das sowjetische Gulag-System der Vergangenheit angehört, besteht in der Volksrepublik China ein ähnliches Unterdrückungsinstrument fort“, heißt es wörtlich.
Die Parlamentarier fordern die Bundesregierung auf, sich auf EU-Ebene für ein freiwilliges Gütesiegel einzusetzen. Dieses soll garantieren, dass hier verkaufte Waren nicht in Laogai-Lagern hergestellt wurden. Zudem solle die Regierung deutsche Unternehmer darauf hinweisen, dass sich hinter chinesischen Geschäftspartnern Laogai-Einrichtungen verbergen könnten.
Abgeordnete berichteten gestern, die chinesische Botschaft habe bei einem Treffen mit Mitgliedern des Menschenrechtsausschusses in Berlin gewarnt: Sollte der Antrag angenommen werden, würde dies die Beziehungen der beiden Länder erheblich verschlechtern. „Ich ging aus dem Treffen heraus und dachte, das war ganz schön harter Tobak, man hat uns gedroht“, sagte Michael Leukert von der Linksfraktion gestern der taz. Die Botschaft erklärte der taz, man verbitte sich jedwede Einmischung in innere Angelegenheiten. Die Umerziehung durch Arbeit sei ein legitimes Mittel, um die innere Sicherheit zu gewährleisten, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.
Dass der Bundestag zustimmt, gilt als sicher, der Antrag wird von Union, SPD, FDP und Grünen unterstützt. Die Linksfraktion wird auf Wunsch der Union wie immer von interfraktionellen Initiativen ausgeschlossen.
Der Menschenrechtsausschuss will im Herbst nach China reisen und hat auch den Besuch eines Laogai-Lagers beantragt. Dadurch soll vor den Olympischen Spiele 2008 Druck auf das Land ausgeübt werden. Denn nach wie vor kümmert sich die Weltfabrik China wenig um soziale Mindeststandards und Menschenrechte. Billigwaren entstehen aber auch in Arbeitslagern – jenen Laogais, die der Bundestag verurteilen will. Hier kostet der Faktor Arbeit praktisch nichts. Nach offiziellen Angaben der chinesischen Regierung sitzen 200.000 Personen in den Laogai-Lagern ein. Menschenrechtler gehen von mindestens 2 Millionen Insassen aus – viele von ihnen wurden nie rechtskräftig verurteilt. Sie arbeiten bis zu 14 Stunden täglich, und sind und Misshandlungen ausgesetzt.
Den Kampf gegen das Laogai-System bestreiten vor allem ehemalige Insassen, die im Exil leben. Der bekannteste ist Harry Wu, Gründer der Laogai Research Foundation. „Wir schätzen, dass seit der Regierungszeit Mao Tse-tung 40 bis 50 Millionen Menschen in den Arbeitslagern umgekommen sind“, sagte Wu am Dienstag bei einer Pressekonferenz der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte in Berlin. Laut Wu handelt es sich bei den Insassen größtenteils um Systemkritiker und Angehörige religiöser Minderheiten, wie der buddhistischen Falun Gong. Sie sollen in den Laogais durch Arbeit umerzogen werden und bescheren darüber hinaus der Volkswirtschaft erhebliche Einkünfte. CHRISTINE KEILHOLZ KATHARINA KOUFEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen