: Schulstunde gegen Homophobie
amnesty international und die GEW protestieren vor dem polnischen Kulturinstitut gegen die Diskriminierung von Lesben und Schwulen. Positive Erfahrungen in Berlin
Es ist zwölf Uhr mittags. Normalerweise unterrichtet Detlef Mücke um diese Zeit Gesellschaftskunde an der Helmholtz-Oberschule in Neukölln. An diesem Donnerstag feiert Mücke jedoch. Nicht wie die meisten Himmelfahrt oder Vatertag – sondern den Internationalen Tag gegen Homophobie.
Unter dem Motto „Keine Homophobie an Polens Schulen“ findet vor dem Polnischen Kulturinstitut in Mitte eine Solidaritätskundgebung von amnesty international (ai) statt. „Ich bin sehr besorgt über die Lage in Osteuropa, insbesondere in Polen und Lettland“, beginnt Colin de la Molte-Sherman seine Rede. Der 67-jährige Brite ist Vertreter der schwul-lesbischen Gruppe von ai Deutschland. Er wendet sich in seiner Ansprache gegen die jüngste Forderung von Polens Bildungsminister Roman Giertych, „homosexuelle Propaganda“ an polnischen Schulen zu verbieten. Das geplante Verbot der „Förderung von Homosexualität und anderen sexuellen Abweichungen“ würde Schüler und Lehrer in ihren Menschenrechten beschneiden.
„Sich in Polen als schwuler Lehrer zu outen, bedeutet den beruflichen Tod“, bestätigt Stanislaw Solski, der bis vor drei Jahren an einer Schule in Polen unterrichtet hat. Er arbeitet nun im brandenburgischen Prenzlau und kann sich dort – wenige Kilometer von der polnischen Grenze entfernt – zu seiner Homosexualität bekennen.
Die meisten der rund 60 Besucher der Kundgebung sind Männer. Viele von ihnen, darunter auch Detlef Mücke, tragen weiße T-Shirts mit roter Aufschrift: www.schwulelehrer.de. „Natürlich fragen mich Schüler nach meiner Homosexualität“, so Mücke. „Das ist ganz normal, weil sie mitten in der Pubertät sind und sich selbst sehr stark mit ihrer Sexualität auseinandersetzen.“
Negative Erfahrungen mit Schülern oder Kollegen habe er in letzter Zeit in Berlin nicht gemacht. „Wenn man die Fragen offen thematisiert, erntet man meist auch Wertschätzung“, so Mücke. Zudem habe sich in den vergangenen 30 Jahren viel getan. In den 70ern kämpfte er noch gegen Berufsverbote von homosexuellen Lehrkräften, 1978 gründete er die AG Schwule Lehrer in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Heute wird er geschätzt und respektiert. Mehr noch: Für seine Verdienste um die Gleichberechtigung und Achtung Homosexueller in Schule und Gesellschaft wurde er vor zwei Jahren mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. „Eigentlich ist das absurd“, so der Berliner Lehrer. „Hier werde ich geehrt, in Polen wäre ich schon längst gefeuert worden.“
Am Ende der Kundgebung gibt es noch ein bisschen Unterhaltung. In einem Quiz können die Besucher ihr Wissen unter Beweis stellen: Wer rügte die polnische Regierung für die Diskriminierung von Homosexuellen? Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte oder der Vatikan? NANA GERRITZEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen