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Migranten erstürmen den Gipfel

Gegen das Treffen der G-8-Staaten in Heiligendamm machen auch Berlins migrantische Initiativen mobil. In die allgemeine Organisation der Gipfel-Proteste sind sie allerdings eher wenig integriert

VON TIM ZÜLCH

„Natürlich geht G 8 uns an“. Ibrahim Delen, 26, ist bei „Jugendliche ohne Grenzen“ aktiv. Seit drei Jahren setzt sich die Initiative für ein dauerhaftes Bleiberecht geduldeter Flüchtlinge ein. Delen macht gerade sein juristisches Referendariat. „Wenn alles gutgeht, bin ich in zwei Jahren mit dem Studium fertig“, sagt er. Irgendwie gehört auch er mittlerweile zur Elite, doch das Engagement für eine gerechte Welt hat er nicht aufgegeben. Im Gegenteil: „Viele Menschen müssen wegen der G-8-Politik ihre Länder verlassen. Warum soll man das nicht kritisieren?“, argumentiert er und erinnert an das Motto des Migrations-Aktionstags in Heiligendamm: „Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört.“

Delen und seine Gruppe haben sich nicht direkt an den Vorbereitungen zum G-8-Protest beteiligt. Aber am Montag berät der Bundestag über das Zuwanderungsgesetz, dagegen werden sie und dreißig andere Gruppen vor der SPD-Zentrale demonstrieren. „Alles Weitere übersteigt unsere Ressourcen, aber wir betrachten das als Teil der G-8-Mobilisierung“, sagt Delen.

Das Thema Migration ist in Heiligendamm kein Schwerpunkt, auch wenn sich vieles um die Situation in Afrika drehen soll. Von der Bundesregierung wird dabei das Thema Aidsbekämpfung herausgestellt. Wichtiger werden aber Maßnahmen sein, die das „Investitionsklima in Afrika verbessern“ oder auf „gute Regierungsführung“ drängen – so steht es auf der Agenda der Bundesregierung.

Christopher Nsoh gehört der Flüchtlingsinitiative Brandenburg (FIB) an. Für ihn ist der Protest gegen die G 8 extrem wichtig, aber er befürchtet, dass es chaotisch zugehen wird. „Es wird zu viele Botschaften geben. Keinem wird klar sein, in welche Richtung es geht“, kritisiert er. Darum organisiert er eine Konferenz zur afrikanischen Perspektive auf die G 8 am 1. Juni. AktivistInnen und WissenschaftlerInnen werden über die Situation in Afrika und den Einfluss des Westens referieren. „Natürlich fahre ich auch nach Heiligendamm. Aber wir wollen unsere Position auch in anderem Rahmen deutlich machen“, sagt Nsoh.

„Die G 8 etablieren gerade eine neue Form der Dominanz über Afrika“, meint Nsoh, der über Migrationsmanagement der EU promoviert. „Gute Regierungsführung“ sei ein Euphemismus, der dem Westen seinen Einfluss auf dem Kontinent sichern solle. Das geschehe auch durch das Instrument der Nepas (Neue Europäische Partnerschaftsabkommen). Die Aids-Bekämpfung sei nur Augenwischerei: „Die G 8 wollen Afrika benutzen.“ Auf dem Gipfel in Gleneagles letztes Jahr sei viel über Afrika geredet worden, danach sei das Thema ganz schnell wieder gestorben. Auch die versprochene Hilfe sei nie vollständig angekommen.

Migrantische Gruppen sind in die Organisation der G-8-Proteste eher wenig integriert. Vieles läuft nicht wirklich zusammen, wenn auch nicht wirklich auseinander. Es gebe eine Parallelität der Aktivitäten, sagt Ibrahim Delen, der immerhin mit seiner Gruppe zum Migrationsaktionstag nach Heiligendamm fährt. „Wir werden da sein und mit demonstrieren. Aber unser Schwerpunkt sind die Aktivitäten in Berlin.“ Besonders geärgert haben ihn die Durchsuchungen im Zusammenhang mit G 8. „Alles wird kriminalisiert. Warum erträgt man keine Kritik?“. Allerdings ist sich Delen sicher, dass die Durchsuchungen die Wut auf die G 8 nur noch steigern. Auch Christopher Nsoh gibt dem Protest eine Chance. „Es ist sehr schwierig, die Politik der G 8 zu ändern, aber vielleicht schaffen wir es ein kleines Stück.“

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