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Homo-Aktivisten in Moskau verhaftet

Beim Versuch, sich bei Bürgermeister Luschkow mit einer Petition über das Verbot der Homo-Parade in Russland zu beschweren, werden die Demonstranten brutal attackiert. Die Polizei schützt sie nicht. Auch Grünen-Politiker Beck festgehalten

VON BARBARA OERTEL

31 Festnahmen, prügelnde und gewalttätige Einsatzkräfte der Polizei sowie randalierende Nationalisten und Orthodoxe, die unter den Augen der Polizei unbehelligt auf Demonstranten eindreschen und diese mit Gegenständen bewerfen: So, und damit wie die meisten Demonstrationen von Regimegegnern oder Vertretern von Minderheiten in Russland, endete am Sonntag eine Aktion von Homo-Aktivisten im Zentrum von Moskau.

Begleitet von wütenden Rufen ihrer Widersacher wie „Moskau ist nicht Sodom“ hatten sich am Sonntag 50 Protestler – darunter auch auch drei Abgeordnete des EU-Parlaments – vor dem Moskauer Stadtparlament versammelt. Sie wollten dort dem Moskauer Bürgermeister Juri Luschkow eine Petition übergeben, in der das Stadtoberhaupt aufgefordert wird, eine Homo-Demonstration in Moskau zu erlauben. Die Aktion sollte auch an die Entkriminalisierung der Homosexualität in Russland 1993 erinnern.

Luschkow, bekanntermaßen im Umgang mit Minderheiten alles andere als zimperlich, hatte die Parade in diesem Monat untersagen lassen und Homo-Demonstrationen als „Teufelswerk“ bezeichnet. Er werde niemals eine derartige Veranstaltung erlauben. Bereits im vergangenen Jahr war die Gay Pride in Moskau verboten worden, bei anschließenden Demonstrationen war es zwischen Polizei und Protestlern zu gewalttätigen Zusammenstößen gekommen.

Unter den Festgenommen befand sich am Sonntag kurzzeitig auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion der Grünen, Volker Beck. Beck, der im vergangenen Jahr in Moskau in gleicher Mission unterwegs und dort verprügelt worden war. Er wurde nach einer Stunde auf freien Fuß gesetzt.

Zu den Festgenommen gehört auch Nikolai Alexejew, einer der führenden Homo-Aktivisten. Er sowie zwei weitere Mitstreiter standen gestern in Moskau vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, sich Anweisungen der Polizei widersetzt zu haben. Beck wurde in zwei der drei Verfahren als Zeuge gehört. „Dieser Prozess war bizar“, sagte Beck der taz. Er habe den Eindruck, dass Beweise bewusst ignoriert würden, wenn sie die Wahrheitsfindung des Kreml störten. Laut seinen Angaben sind die drei Angeklagten ebenfalls wieder frei, die Prozesse wurden auf den 8. Juni vertagt.

In westlichen Kreisen stieß das Vorgehen der Polizei in Moskau gegen die Homo-Aktivisten auf Kritik. Sophie Int’Veld, eine niederländische EU-Abgeordnete, sprach gegenüber der Tageszeitung Moscow Times davon, dass die Demokratie zur Farce verkommen sei. Die Angelegenheit betreffe jedoch nicht nur die Rechte von Homosexuellen, sondern sei ein Angriff auf die Versammlungsfreiheit im Ganzen. Davor könne die Europäische Union die Augen nicht länger verschließen.

Die Moskauer Helsinkigruppe bemühte sich gestern noch verzweifelt, den Beklagten Anwälte an die Seite zu stellen. Für die Vorsitzende der Helsinkigruppe, Ludmilla Alexejewa, zeigen die jüngsten Ereignisse wieder einmal, dass sich die Staatsmacht einfach über geltende Gesetze hinwegsetze. Auch dass die Miliz nicht auf Seiten der Demonstranten eingreife, um diese zu schützen, habe Methode, einmal abgesehen davon, dass einige der Randalierer wohl auf Befehl von oben handelten.

„Diesmal hatte es die Staatsmacht aber leicht, denn sie handelte im Einklang mit der Meinung der Mehrheit der Bevölkerung. Und die hasst Schwule und Lesben, ein Relikt aus Sowjetzeiten“, sagte Alexejewa der taz. Alles in allem sei dieses Verhalten aber durch die bevorstehenden Wahlen beeinflusst. „Und da“, so Alexejewa, muss jedwede nicht regimekonforme Demonstration unterbunden werden.“

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