fragen zum spiel: Neue deutsche Tugenden?
Die drei Fragen des Tages:
1. Gibt es „neue deutsche Tugenden“, die TV-Analytiker Günter Netzer entdeckt haben will?
Schmarrn. Laufen können alle, kämpfen auch, diese „Tugenden“ sind Grundlage eines globalisierten Fußballs wie übrigens auch die deutschen Errungenschaften der Neuzeit (Klinsmann/Löw). Interessant ist aber: Die deutsche Moderne erwies sich bei der EM bereits wieder als überholt, weshalb Löw sein 4-2-2 im letzten Moment überarbeitete. Darüber hinaus ist das individuelle Moment (Ballack, Schweinsteiger und Podolski) stark genug, um in der Summe mit Fitness, Spielphilosophie und überarbeiteter Strategie einen Sieg über Portugal zu ermöglichen.
2. Warum sind die deutschen Stürmer so schwach?
Fragen wir anders: Warum ist Lukas Podolski so stark und schießt die Tore? Antwort: Weil er nicht im Sturm spielt. Super-Arshavin, Spaniens Villa und in diesem Moment auch Podolski sind die „neuen“, Angreifer, die nach dem Prototyp Ronaldo funktionieren: schnell, technisch stark, kombinationssicher, torgefährlich, und zwischen Sturm und Mittelfeld agierend. Luca Toni – sowieso – und derzeit auch Klose sind Old School. Was nicht heißt, dass die beiden erledigte Fälle wären.
3. Warum scheiden die stark oder gar spektakulär gestarteten Gruppenersten aus?
Wer zu früh aufsteht, ist abends müde. Wer zu früh in Bestform ist, sackt irgendwann ab. Wer zwischendurch mit dem B-Team spielt, verliert den Rhythmus. Das gehört zum Franz- und also zum kollektiven Fußballgeschwurbel. Aber was war mit den Deutschen 1990? Sie starteten brillant, machten Pause, zogen durch, sackten wieder ab und wurden Weltmeister, übrigens mit Beckenbauer als Trainer. Jürgen Klopp sagt, ein Team brauche seine Krise früh genug, um daraus zu lernen zu können. Stimmt auch: Kommt die Krise im K.-o.-Spiel, müssen die Lehren zu Hause gezogen werden – vom nächsten Trainer.
Also: Es gibt auf diese Frage keine allgemeingültigen Antworten, sondern nur individuell-fachliche Erklärungsversuche. Damit sind die Niederländer und die Portugiesen sicher noch einige Zeit beschäftigt. PETER UNFRIED
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