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Imame auf Ausbildungsmission

LEHRE Betriebe machen gemeinsame Sache mit Geistlichen. So wollen sie junge Leute aus dem Migrantenmilieu erreichen und sie ermuntern, sich als Azubi zu bewerben

„Bei uns in der Küche hat keiner Abitur“

MIRJAM YOUSEF, 25, AZUBI

AUS BONN ANJA KRÜGER

Das Freitagsgebet endet ungewöhnlich. Der Imam lädt Eltern und Jugendliche ein, sich in der Al-Muhajirin-Moschee in Bonn über Ausbildungswege zu informieren. Über 100 Gäste folgen der Einladung des Geistlichen.

Unter ihnen auch Mirjam Yousef. Die 25-Jährige berichtet über ihren Weg vom Schulabschluss bis zur Ausbildung im Düsseldorfer Hotel Breidenbacher Hof, einer der besten Luxusherbergen Deutschlands. „Viele Jugendliche mit Migrationshintergrund glauben, sie haben keine Chance auf einen Ausbildungsplatz“, sagt die in Deutschland geborene Tochter palästinensischer Eltern.

Mirjam Yousef macht jungen Menschen Mut, sich für eine Ausbildung zu bewerben. Sie hat nach dem Abitur einen Minijob in einem Hotel angenommen. Dort bekam sie zwar später eine Vollzeitstelle. Aber das genügte ihr nicht. Sie wollte eine Ausbildung machen und bewarb sich bei drei Luxushotels. „Ich hätte in allen dreien anfangen können“, berichtet sie.

Die Veranstaltung in der Bonner Moschee ist Teil der Kampagne „Mein Beruf. Meine Zukunft. Mit Ausbildung zum Erfolg“ in Nordrhein-Westfalen, einer gemeinsamen Aktion von Handwerk sowie Eltern und Lehrern mit Zuwanderungshintergrund.

Auch wer kein Abitur hat, sollte sich bewerben, ist die angehende Hotelkauffrau Yousef überzeugt. „Bei uns in der Küche hat keiner Abitur“, sagt sie. Den wenigsten Jugendlichen mit ausländischen Wurzeln sei klar, dass sie auch mit einem Haupt- oder Realschulabschluss eine Lehre machen können. „Sie dürfen keine Angst haben, ihre Bewerbung abzugeben“, sagt sie.

Doch junge Leute fürchten nicht nur die Ablehnung. „Viele wissen nicht, wie eine gute Bewerbung aussieht, und suchen sich bei Google irgendetwas zusammen“, erzählt sie. Wie die Unterlagen aussehen sollen und wie man beim Vorstellungsgespräch eine gute Figur macht, erfahren die ZuhörerInnen in der Bonner Moschee von Unternehmensvertretern.

Laut aktuellem Bildungsbericht haben 50 Prozent der türkeistämmigen Männer und 60 Prozent der Frauen Anfang 30 keinen beruflichen Bildungsabschluss. Auch Jugendliche mit Migrationshintergrund beginnen seltener eine betriebliche Ausbildung als junge Leute ohne Zuwanderungsgeschichte.

Die Hälfte der jungen Leute macht keine Ausbildung

Eine genaue Analyse ist schwierig, denn die Landesämter für Statistik erfassen lediglich die Staatsangehörigkeit. Jugendliche mit deutschem Pass und Migrationshintergrund werden nicht extra ausgewiesen. Nach Schätzungen des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) hat etwa ein Viertel der Jugendlichen bis 25 Jahre einen Zuwanderungshintergrund. Etwa die Hälfte davon mache keine duale – also kombinierte betriebliche und schulische – Ausbildung, nur ein kleiner Teil geht an die Hochschule.

„Über mögliche Bildungswege im dualen System, über Zugangsvoraussetzungen, Verdienstaussichten und Aufstiegsmöglichkeiten bestehen in Zuwandererfamilien oft völlig falsche Vorstellungen“, heißt es im nordrhein-westfälischen Arbeitsministerium, welches die Kampagne fördert.

Man setze daher in den Familien an, und informiere sie, sagt Projektleiterin Gwendolyn Paul von der Zentralstelle für Weiterbildung im Handwerk. Ein ganz neuer Ansatz. MigrantInnenorganisationen wie Eltern- und Kulturvereine, das Netzwerk Aussiedler oder religiöse Gemeinschaften selbst laden zu Veranstaltungen ein, bei denen sich Jugendliche und Eltern über Ausbildungsmöglichkeiten informieren und Kontakte knüpfen können. „Dadurch ist die Akzeptanz bei denen, die wir erreichen wollen, größer“, sagt Paul. Neben ExpertInnen aus verschiedenen Ausbildungsbereichen referieren VertreterInnen der Handwerkskammern, der Arbeitsagentur und von Unternehmen. „Auf diese Weise treffen Menschen aufeinander, die ansonsten nicht in Kontakt kommen“, erklärt Paul.

25 Veranstaltungen haben bisher stattgefunden. „Wir haben pro Abend mit etwa 30 Teilnehmern gerechnet“, sagt Paul. Meistens kommen dreimal so viele, manchmal noch sehr viel mehr.

Zu den ProjektpartnerInnen vor Ort gehört Vicky Douka. Die Jugendbeauftragte der deutsch-griechischen Gesellschaft hat in Düsseldorf schon zwei Veranstaltungen organisiert. Bei den Infoabenden in einer Schule und in den Räumen der griechisch-orthodoxen Gemeinde hatten Unternehmen und Institutionen mit Bildungsangeboten Stände aufgebaut. „Wir wollen zeigen, dass eine Ausbildung keine Sackgasse ist, sondern viele Möglichkeiten eröffnet“, sagt die Lehrerin. „Aber wir wollen den jungen Leuten auch keine rosarote Brille aufsetzen, sondern ein realistisches Bild zeichnen.“

In Düsseldorf beschrieb eine junge Kauffrau, wie sie während der Ausbildung mit dem Fach Rechnungswesen kämpfte und ihre Probleme mit Unterstützung der AWO bewältigte. Heute ist sie im Servicecenter der Rheinbahn in Düsseldorf tätig. Weit und breit ist bekannt, dass dort eine griechischsprachige Fachfrau sitzt. Das Konsulat schickt Reisende zu ihr.

„Oft sind den Jugendlichen die Schritte nicht klar, die zu einer Ausbildung führen“, sagt Douka. Das können etwa Praktika sein oder spezielle berufsvorbereitende Angebote. Die Kampagnenpartner haben Materialien in verschiedenen Sprachen erstellt, deren Tipps und Links den Weg weisen sollen.

Arbeitgeber müssen umdenken

In ihrer landesweiten Ausrichtung ist die Kampagne bundesweit einzigartig. Aber in der vergangenen Jahren sind vielerorts vergleichbare Initiativen entstanden – als Reaktion auf den sich abzeichnenden Fachkräftemangel. In Freiburg etwa hat die Handwerkskammer das Projekt „Hi Job“ zur Unterstützung kopftuchtragender Frauen bei der Suche nach Praktikum und Ausbildung aufgelegt. Andere Kammern organisieren Ausbildungsbörsen, setzen IntegrationsberaterInnen ein oder bieten Mentoring-Projekte an.

Doch den Blick nur auf die Jugendlichen zu richten, reicht nicht, findet die Gewerkschaftsjugend in Köln-Bonn. „Junge Menschen mit Migrationshintergrund über Informationskampagnen an eine Berufsausbildung heranzuführen, ist ein erster wichtiger Schritt“, sagt DGB-Jugendbildungsreferentin Judith Gövert. Fehlende Informationen seien aber nur eine Ursache dafür, dass die Zahl an Auszubildenden mit Migrationshintergrund unterdurchschnittlich ist. „Auch die Einstellungspolitik vieler Arbeitgeber muss sich ändern“, fordert sie. „Um echte Chancengleichheit zu erreichen, brauchen wir anonymisierte Bewerbungsverfahren.“ Dann würde nicht der Klang des Namens darüber entscheiden, ob BewerberInnen in die engere Auswahl für einen Ausbildungsplatz kommen oder nicht.

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