MARC BECKER, THEATERAUTOR: Faszination Terror
Die RAF ist für vieles gut: T-Shirts, poppige Kinofilme und ein neues Jelinek-Stück. Auch das Oldenburger Staatstheater wünschte sich ein Stück zum Thema von seinem Hausautor Marc Becker, das gestern uraufgeführt wurde. Der 37-Jährige, der in der Vergangenheit mit einer Macbeth-Adaptation und durch sein WM-Stück „Wir im Finale“ bekannt wurde, sagt deutlich, was das „Terror-Programm“ alles nicht sein soll: „Nicht Aufarbeitung und auch nicht Abarbeiten an Biographien.“ Das hat er selbst bereits mit seinem Stück „Margot und Hannelore“ ausprobiert, das sich den Ehefrauen von Honecker und Kohl widmete, zudem findet er, das diese Spur mit den Stücken „Leviathan“ von Dea Loher und Kresniks Tanzstück „Ulrike Meinhof“ ausreichend verfolgt wurde.
Folgerichtig tauchen in dem Episoden-Stück nicht Meinhof & Co, sondern Prototypen auf: Zwei Frauen etwa, die versuchen, eine konspirative Party zu organisieren, ein Mann, der sich selbst entführt und ein Sohn, der, aus dem Untergrund zurückkehrend, feststellen muss, dass seine Eltern ebenfalls ein paar Jahre dort verbracht haben. „Dort wird es zur Terror-Sitcom“, sagt Becker, der überdies einen Conferencier einsetzt, was dem „Terror-Programm“ Revuecharakter verleiht.
Als Beitrag zur popkulturellen Vereinnahmung will Becker sein Stück jedoch keineswegs verstanden wissen. Sondern als politische Annäherung an die Faszination für Terror und Gewalt, wie er sie schon in seinem Stück über den US-amerikanischen UNO-Bomber versucht hat. „Es ist die Kraft dahinter, die man versucht, zu deuten“, sagt Becker und bezieht das nicht nur auf sich, sondern auf das ungebrochene gesellschaftliche Interesse an der RAF.
In seiner Beschäftigung mit der Gruppe hat er in dem Wunsch nach Abgrenzung Parallelen zum islamistischen Terror gefunden, eine klar formulierte Vision hat er dagegen nicht ausfindig machen können. Sein nächstes Stück wird sich als Versuch einer theatralen Science-Fiction einem politischen Thema ganz ohne semi-mythischen Anstrich widmen: der Gentechnik.FRIEDERIKE GRÄFF
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