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Die kleine Wortkunde

Kalifat – ein Wort, das westliche Ohren am ehesten aus den Märchen aus Tausendundeiner Nacht kennen. Kein Märchen, sondern blutige Realität ist jedoch das Kalifat, das die islamische Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) vor Kurzem in Teilen des Iraks und Syriens ausrief, gefolgt von Massakern an religiösen Minderheiten und der rigorosen Durchsetzung der Scharia.

IS versteht das Kalifat als grenzüberschreitendes Gesamtreich des Islam, weshalb die Kämpfer ihren Terror auch auf den Libanon ausgeweitet haben. Historisch ist ein Kalifat – das letzte existierte vor rund 100 Jahren – eine islamische Regierungsform, in der der Kalif als Stellvertreter Gottes auf Erden politisches und religiöses Oberhaupt ist. Versuche, die Staatsform wiederzubeleben, gab es viele, denn vielen Muslimen gilt die Zeit der frühen Kalifen als goldenes Zeitalter.

Entlehnt wurde das Wort aus dem lateinischen „chaliphatus“, das auf das arabische „halifa“ (Nachfolger) zurückgeht. Gemeint ist der Nachfolger Allahs als sein Stellvertreter auf Erden. Der Einmarsch der USA in den Irak 2003 sollte dem Land die Demokratie bringen – nun hat es ein Kalifat. Das ist kein Wunder, denn die Amerikaner haben ein geschwächtes Land hinterlassen, und wo immer ein Machtvakuum entsteht, wird es schnell von einem Nachfolger besetzt. Ähnliches gilt für Syrien, wo durch den Bürgerkrieg ebenfalls Machtlücken entstanden sind, die IS für sich ausgenutzt hat. Deren Treiben zeigt, dass das Kalifat tatsächlich zurück ins Märchenbuch gehört. Doch der jetzige IS-Führer und selbsternannte Kalif Abu Bakr al-Baghdadi könnte sich bald ebenfalls internen Machtkämpfen ausgesetzt sehen, denn wer würde nicht gern Stellvertreter Gottes sein? Wie heißt es in einer bekannten Comic-Reihe: „Ich will Kalif werden anstelle des Kalifen!“

ERIK WENK

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