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„Yellow Cake“ im Hamburger Hafen

ATOMINDUSTRIE Aktivisten decken Zwischenlager im Hafen auf: Container mit radioaktivem Uranerzkonzentrat einen Monat lang gelagert. Senat informierte falsch. Ladung soll möglicherweise heute auf der Schiene über Bremen in Richtung Frankreich rollen

Atomare Fracht

Nach Angaben des Hamburger Senats werden jeden zweiten Tag hoch toxische und radioaktive Güter durch das Stadtgebiet transportiert – meist in Zusammenhang mit dem Hafen – und das auch auf der Straße direkt an Wohnhäusern vorbei.

■ In Bremen hat die rot-grüne Landesregierung durch eine Teilentwidmung sowie die Änderung des Hafenbetriebsgesetzes Anfang 2012 den Umschlag von Atombrennstoffen in Bremen und Bremerhaven beendet.

■ Eine Klage der Bremer CDU-Fraktion gegen die Teilentwidmung scheiterte im Juni 2013 vor dem dortigen Staatsgerichtshof.

VON KAI VON APPEN

Strahlender Transitverkehr: Ein Zug mit 36 Containern Uranerzkonzentrat rollt aller Wahrscheinlichkeit nach am heutigen Montagnachmittag von Hamburg aus über Bremen Richtung Narbonne in Frankreich. Die Container mit dem sogenannten „Yellow Cake“ kommen aus dem Hamburger Hafen. Dass sie dort zwischengelagert wurden, sorgt seit Tagen für Diskussionen – auch darüber, wie sicher die streng geheimen Atomtransporte eigentlich sind.

Am Mittwoch hatte der russische Frachter Sheksna am Südwest-Terminal in Hamburg festgemacht – beladen mit Containern voll radioaktivem Uranerzkonzentrat aus Kasachstan. Nach Angaben der Anti-Atom-Initiative umweltfairaendern.de befanden sich an Bord der Sheksna 18 Behälter mit Radioaktivitäts-Kennzeichnung sowie der Nummer „UN 2912“ für Uranerzkonzentrat. Die Sheksna war verspätet in Hamburg eingetroffen, weil sie nicht den den direkten Weg über den Nord-Ostsee-Kanal genommen hatte, sondern über das Skagerrak ausgewichen war; am Kanal nahe Kiel fand zur selben Zeit ein Anti-Atom-Camp statt.

Weitere 14 Container mit „Yellow Cake“ brachte dann am Freitag der südafrikanische Frachter Green Mountain nach Hamburg. Die Green Mountain sowie andere Schiffe der Reederei MASC fahren regelmäßig zwischen Hamburg und Südafrika und machen dabei häufig Halt in der namibischen Walfis Bay, um Uranerzkonzentrat aus Namibia nach Hamburg zu bringen.

Anti-Atom-Aktivisten, die die Entladung der „Green Mountain“ beobachteten, bemerkten, dass vier längst anderswo vermutete Container wieder auftauchten. Die Behälter waren vor vier Wochen, beim letzten Atomtransport der Sheksna, von der Hamburger Wasserschutz-Polizei an der Weiterreise gehindert worden – wegen Sicherheitsmängeln: Die Sicherheitssiegel für Gefahrguttransporte, sogenannte CSC-Plaketten, waren abgelaufen. Einen Tag später erlaubte aber das Amt für Arbeitsschutz den „einmaligen Weitertransport“.

Auf Anfrage der Linksfraktion führte der Hamburger Senat später aus, die Container seien „mit der Bahn zu dem nächstmöglichen Termin abtransportiert worden“. Misstrauisch geworden, begaben sich Aktivisten jetzt auf das Gelände der Verladefirma – und fanden heraus, dass es sich tatsächlich um die damals beanstandeten Container handelte, die demnach seit fast einem Monat im Hamburger Hafen zwischengelagert worden waren.

Der Senat räumt inzwischen ein, seinerzeit falsch geantwortet zu haben: „Es trifft zu, dass wir leider in der Senatsantwort unzutreffend angegeben haben, die Container würden sich nicht mehr in Hamburg befinden.“ Da die Container durch die zuständige Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz für den Weitertransport freigegeben worden waren, sei man davon ausgegangen, „dass die Container zum Zeitpunkt der Beantwortung der Anfrage tatsächlich auf dem Weg waren“, erklärte die Innenbehörde.

Das sei aber nicht der Fall gewesen, heißt es weiter. Im Hafen habe der zuständige Mitarbeiter kurzfristig umdisponiert und die Container dabehalten. Eine Gefährdung sei damit nicht verbunden gewesen. Die Vorsitzende der Hamburger Linksfraktion, Dora Heyenn gibt sich skeptisch: Wenn SPD-Innensenator Michael Neumann „jetzt erklärt, dass ‚der zuständige Mitarbeiter kurzfristig umdisponiert und die Container dabehalten‘ hätte, hört sich das verdammt nach einem Bauernopfer an und ist wenig glaubwürdig“, befindet die Linken-Abgeordnete. Auch die Erklärung, damit sei keine Gefährdung einhergegangen, kommt aus ihrer Sicht „einer Verdummung“ gleich.

Eine gemeinsame Initiative der Links- und der Grünenfraktion, für den Hamburger Hafen nach Bremer Vorbild eine „Teilentwidmung“ zu beschließen – und ihn so für Atomtransporte zu sperren – scheiterte im Juni 2013 an der SPD-Bürgerschaftsmehrheit. „Der Hafen bleibt also eine gefährliche Drehscheibe“, so Heyenn damals, „für den Handel der internationalen Atomindustrie.“

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