: SPD will Gerechtigkeit neu definieren
Das Land Berlin lehnt die geplante Unternehmensteuerreform ab. Grund: Steuerausfälle und neue Last für Bürger
Gegen den derzeitigen Entwurf der Unternehmensteuerreform würde Berlin im Bundesrat mit Nein stimmen. Dies sagte Michael Müller, der SPD-Landes- und Fraktionschef dem Tagesspiegel. Berlin hätte damit einen jährlichen Steuerausfall von rund 200 Millionen Euro. Dadurch würde der Senat weiter zurückgeworfen in seinen Bemühungen, den Haushalt mit seinen 60 Milliarden Euro Schulden zu konsolidieren.
Müller geht in seiner Argumentation jedoch noch weiter: Er gibt die fehlende Steuergerechtigkeit zu bedenken, die an der Unternehmensteuerreform festgemacht werden kann. Geplant ist, die Steuerlast für Kapitalgesellschaften von aktuell 38,6 Prozent auf knapp unter 30 Prozent zu senken. Bis zu 8 Milliarden Euro würden die Unternehmen dadurch gewinnen.
Die Bevölkerung hingegen wird zur Kasse gebeten. Den Bürgern werde viel abverlangt, meinte Müller und verweist auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer von Anfang des Jahres sowie die Kürzung der Pendlerpauschale und die Halbierung des Sparerfreibetrags. Nach Berechnungen der Grünen verlieren die BürgerInnen dadurch 35 Milliarden Euro. Vor allem die mittleren und niedrigeren Einkommen werden überproportional belastet.
Schon unter Rot-Grün seien die BürgerInnen be- und die Unternehmen steuerlich entlastet worden, stellt Müller fest. Dies impliziert, dass die Berliner SPD die ungerechte Steuerpolitik der eigenen Partei in Frage stellt – obwohl die Landes-SPD damit auf Konfrontation mit der Bundes-SPD geraten könnte. Das bestätigte Michael Stadtmüller, der Sprecher der Berliner SPD. Die jetzige verbale Radikalität schließe allerdings nicht aus, dass die Berliner SPD einem veränderten Entwurf zustimmen könne. „Wir können uns einen Kompromiss vorstellen“, meint Stadtmüller. „Wie der genau aussehen soll, damit müssen sich die Steuerexperten beschäftigten.“ Den saarländischen Vorschlag, die Unternehmen nur um 5 Prozent anstatt um knapp 10 Prozent zu entlasten, will Müller jedoch auch nicht mittragen.
Der jetzige Entwurf für die Unternehmensteuerreform soll am 14. März im Bundeskabinett verabschiedet werden. Beschlossen werden soll er dann vor der Sommerpause im Bundestag und Bundesrat. Insofern ist Müllers Nein vor allem als ein Vorstoß zu verstehen, die Debatte um Steuergerechtigkeit jetzt neu zu entfachen, meint Carola Bluhm, die Fraktionssprecherin der Linken. „Das finde ich okay“, so Bluhm. Bei der Linksfraktion rennt Müller mit seinem Nein ohnehin offene Türen ein. „Unsere Haltung war immer, dass die derzeitige Steuerpolitik ungerecht ist.“ Waltraud Schwab
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