: „Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt“
IRLAND Gericht zwingt Schwangere im Hungerstreik zum Kaiserschnitt. Abtreibungsgesetz ist Skandal
MAIRÉAD ENRIGHT
AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK
Einer jungen Immigrantin, die nach einer Vergewaltigung schwanger geworden und suizidgefährdet war, ist in Irland eine Abtreibung verweigert worden. Sie musste das Kind aufgrund eines richterlichen Beschlusses per Kaiserschnitt zur Welt bringen. Die Frau, deren Name und Nationalität laut Gerichtsbeschluss nicht veröffentlicht werden dürfen, hatte um eine Abtreibung gebeten, als sie acht Wochen schwanger war. Sie erhielt aber keinerlei Informationen über einen legalen Schwangerschaftsabbruch.
Im Verlauf der Schwangerschaft wurde sie immer depressiver, bis ein Landsmann, der bereits seit zehn Jahren in Irland lebt, sie zu einem Hausarzt brachte. Der überwies sie in ein Krankenhaus. Dort erklärte man ihr, dass die Schwangerschaft bereits so weit fortgeschritten war, dass eine Abtreibung nicht mehr möglich sei. Daraufhin trat die Frau in einen Hungerstreik. Das Gesundheitsamt setzte vor Gericht ihre Zwangsernährung durch und zog zwei Psychiater sowie eine Geburtshelferin hinzu. Alle drei stimmten überein, dass die Frau suizidgefährdet sei. Die Geburtshelferin erklärte jedoch, der Fötus sei lebensfähig. Dasselbe Gericht entschied daraufhin, den 25 Wochen alten Fötus durch Kaiserschnitt zur Welt bringen zu lassen, weil seine Sicherheit durch den Hungerstreik in Gefahr sei. Das Baby ist inzwischen in der Obhut der Behörden.
Es war der erste praktische Test für das irische Abtreibungsgesetz, und es ist durchgefallen. Die irische Regierung hatte im vorigen Jahr festgelegt, dass ein Schwangerschaftsabbruch erlaubt sei, wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist. Bei unmittelbarer Lebensgefahr darf ein Doktor allein entscheiden. Ist die Gefahr nicht akut, müssen zwei Ärzte zu Rate gezogen werden. Bei Suizidgefahr müssen drei Ärzte der Abtreibung zustimmen.
Inzwischen sind auch die Richtlinien bekannt, die der Staat den Ärzten zur Anwendung des Gesetzes in die Hand gegeben hat. Schon im Vorwort des 108-seitigen Dokuments wird klar, woher der Wind weht. „Zweck dieses Gesetz ist es, das generelle Abtreibungsverbot in Irland zu bekräftigen“, heißt es dort. Ein unabhängiger Ausschuss, der zunächst versprochen war, ist nicht vorgesehen. Erste Anlaufstelle für abtreibungswillige Frauen sei der Hausarzt. Der verweist die Frauen an zwei Psychiater und einen Geburtshelfer. Lehnen sie ab, beginnt die Sache von vorn.
Ein Drittel aller irischen Psychiater hat voriges Jahr eine Erklärung unterschrieben, dass sie unter allen Umständen gegen Abtreibung seien. Da der erste Psychiater den zweiten bestimmen darf, wählt er natürlich einen Kollegen, der seine Ansicht teilt. So sind die Frauen ihren lokalen Ärzten ausgeliefert. Die UN-Kommission für Menschenrechte hat geurteilt, dass diese Richtlinien einer „zusätzlichen mentalen Folter“ gleichkommen, wenn suizidgefährdete Schwangere sich bis zu sieben Ärzten stellen müssen, bevor sie – vielleicht – abtreiben dürfen.
Mairéad Enright, Dozentin für Menschenrechte an der Universität Kent, sagte, die gerichtliche Anordnung des Kaiserschnitts gefährde Tausende von Ausländerinnen und Frauen aus unterprivilegierten Schichten. „Diese Frauen werden oft nicht über ihre Rechte informiert“, sagte sie, „oder sie werden ihnen verweigert.“ Eine Sprecherin des Nationalen irischen Frauenrats fügte hinzu: „Keine zivilisierte Gesellschaft kann ein Gesetz hinnehmen, nach dem eine Frau ihre körperliche Autonomie verliert, sobald sie schwanger wird.“
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