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St. Pauli entschärft Stadionverbote

Früher zurück ins Stadion: Der Fußballklub prüft ab sofort genauer, bevor er Randalierer von den Spielen ausschließt. Außerdem gibt es das Angebot, das Sperren vorzeitig aufzuheben, wenn sich die Fans sozial engagieren

Der FC St. Pauli wird sein Vorgehen bei der Vergabe von Stadionverboten ändern. Das beschlossen der Verein, die Abteilung Fördernder Mitglieder sowie St-Pauli Fan-Organisationen. Vor allem sollen künftig Anhörungen möglich sein, bevor es zum Verbot kommt. Außerdem setzt der Klub die Dauer der Verbote auf mitunter weniger als ein Jahr herunter.

Der Sicherheitsbeauftragte des FC St. Pauli, Sven Brux, sagte der taz: „Ich muss immer fragen: Mit wem habe ich es hier zu tun?“ Bisher seien ohne Betrachtung des Einzelfalles Verbote von drei bis zu fünf Jahren ausgesprochen worden. „In den meisten Fällen sind es junge Leute“, sagte Brux. „Wenn man die jahrelang ausschließt, hat weder der Fußball noch der Mensch etwas davon.“ Der Verein wolle den Fans lieber einen Denkzettel verpassen, als ihnen jahrelang den Bezugspunkt Fußball zu entziehen, sagte Brux.

Der Club hat deshalb auch beschlossen, dass Verbote gegen gewisse Auflagen ausgesetzt werden können. Die Betroffenen könnte im direkten Umfeld des Vereins und in verwandten Projekten gemeinnützige Arbeit leisten. Geplant ist die Zusammenarbeit mit der Obdachlosen-Tagesstätte Cafée mit Herz. Mit dem Verein Ballkult ist ein erster Kontakt hergestellt. Vorstandsmitglied Hanner Boe zur taz: „Wenn sich so jemand positiv in die Szene einbringt und sieht, was Vereinsleben für eine Arbeit ist, dann wird der pädagogische Effekt nicht ausbleiben.“

Die Delinquenten hülfen bei der Organisation von Ballkult-Veranstaltungen wie der eigenen Bühne auf dem Hafengeburtstag oder der Saison-Abschlussparty im Jolly Roger mit. Sie hätten so die Möglichkeit, vor Ablauf des eigentlichen Verbots wieder zu Fußballspielen zu gehen. Es sei wichtig, „dass sie nicht sozial geächtet werden“, sagte Boe.

Ballkult hatte bereits vor dem Beschluss dafür gesorgt, dass mit einem Stadionverbot belegte Fans integriert blieben. Im Vereinsbüro sei immer jemand, mit dem sie reden könnten, sagte Boe. Zudem biete der Verein ein Rahmenprogramm rund um den FC St. Pauli an. Die neuen Regelungen für Stadionverbote fügten sich in die bisherige Vereinsarbeit gut ein. „Ich kenne niemanden aus dem Fankreis, der sie nicht begrüßt“, sagte Boe. Auch Brux weiß das zu berichten. Die Fans anderer Vereine haben den FC St. Pauli via E-Mail zu dem Beschluss beglückwünscht.MARTIN SPIEß

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