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LKH-Verkäufe auf der Kippe

Nachdem der Verkauf des Osnabrücker Landeskrankenhauses an einem Formfehler scheiterte, droht neues Ungemach: Auch die AWO sieht Land beim Landeskrankenhaus Hildesheim

VON KAI SCHÖNEBERG

Als „großen Vertrauensbeweis“ wertete Ameos die Botschaft aus Hannover, als die niedersächsische Landesregierung dem Züricher Krankenhauskonzern Ende Januar den Zuschlag für die Landeskrankenhäuser in Hildesheim und Osnabrück gab. Am vergangenen Wochenende erhielten die Privatisierungspläne den ersten herben Rückschlag: Weil das Angebot der Schweizer für das Haus in Osnabrück sechs Minuten zu spät bei der vom Land beauftragten und mit vier Millionen Euro entlohnten Beraterfirma Pricewaterhouse Coopers eingegangen war, kommt nun der einzige Mitbewerber zum Zuge: Die gemeinnützige Krankenhaus-Tochter Gertrudis des Bistums Osnabrücks.

Gestern teilte zudem die AWO mit, auch sie habe Zweifel, ob das Angebot von Ameos für das LKH Hildesheim fristgerecht vorgelegen habe. Die Anwälte der AWO setzten dem Land eine Frist bis zum heutigen Dienstag, um die Zweifel „vollständig auszuräumen“. Sonst beanspruche die AWO das Landeskrankenhaus Hildesheim für sich. Dass es sich auch bei diesem Formfehler um die sechs Minuten verspätete Abgabe des Finanzierungszusage handeln könnte, schloss ein Sprecher des Sozialministeriums gestern nicht aus. Gleichzeitig betonte er, die zuständige Ministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU) sei „enttäuscht“ über die Panne bei PWC.

Das jahrelange Hickhack um den Verkauf der acht psychiatrischen Anstalten mit ihren fast 6.000 Bediensteten kommt nicht zum Schluss: Einerseits überlegen die Schweizer eine Klage gegen ihren zweiten Platz beim Rennen um das LKH Osnabrück. Andererseits versuchte die Opposition gestern, aus der Verkaufs-Pleite Profit zu ziehen. „Wir bereiten derzeit ein Normenkontrollverfahren am Staatsgerichtshof Bückeburg vor“, sagte SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner. Die Klage beim Landesverfassungsgericht sei notwendig, wenn die Privatisierung auf verfassungswidrigen Änderungen bei den Regelungen zum Maßregelvollzug und beim Psychiatriegesetz fuße. Ein Gutachten solle dies für die SPD prüfen. Jüttner will, dass in „sensiblen Bereichen wie der Unterbringung von psychisch kranken Sexualstraftätern nicht die Stimme des Finanzministers die lauteste sein darf.“

SPD und Grüne hatten gezweifelt, ob sie der Landesregierung „Schlamperei“ oder „Manipulation“ vorwerfen sollen, nachdem eine juristische Prüfung das Bistum Osnabrück zum Sieger gekürt hatte. Tatsächlich war es auch dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) letztlich lieber, dass die Katholiken die Einrichtungen führen sollen. So könnten mutmaßlich weniger Jobs gefährdet sein, als wenn Ameos in der Einrichtung losrationalisiert. Seit 2003 hat Ameos bereits LKHs in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein gekauft – und dort viele „Synergien“ ausgemacht.

Während Ameos zuletzt 16 Millionen Euro für das LKH in Osnabrück geboten hatte, wollte das Bistum zuletzt nur noch zehn Millionen zahlen. Ross-Luttmann hatte jedoch stets betont, beim Verkauf sei das Konzept der Bieter, nicht ihre Finanzkraft ausschlaggebend. Auch in Hildesheim ist der Unterschied der Gebote deutlich: Während die AWO nur 11,2 Millionen Euro für das dortige LKH angelegen wollte, bot Ameos 23,6 Millionen. Das Land Niedersachsen wollte bislang mit dem Verkauf von insgesamt acht Kliniken 107 Millionen Euro einnehmen.

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