: Die neuen Wölfe
Ob aus seiner Behörde, der Opposition und nun auch aus der Regierungskoalition: FDP-Landesinnenminister Ingo Wolf steht kräftig unter Beschuss. Wer könnte ihm nachfolgen?
ANGELA FREIMUTH (40) ist stellvertretende Landesvorsitzende der FDP und eine von nur zwei Frauen in deren 12-köpfiger Landtagsfraktion. Die Juristin, finanzpolitische Sprecherin der Fraktion, hat kein Problem mit der Macht. Sie wäre auch gerne Ministerpräsidentin, verriet sie im taz-Interview: „Dieses Amt wäre eine Ehre.“ Als mögliche Wolf-Nachfolgerin besitzt sie indes höchstens Außenseiterchancen.
Bei GERHARD PAPKE (45) sieht das schon anders aus. Der FDP-Landtagsfraktionschef wird derzeit als aussichtsreichster Kandidat gehandelt. Der Mann mit dem kauzigen Oberlippenbärtchen und den markigen Sprüchen gilt zwar wie der bisherige Amtsinhaber nicht unbedingt als ein Exponent des Rechtsstaatsliberalismus – aber dafür als karriere- und machtbewusst genug, um Wolf – mit dem er seit langem überkreuz ist – zu verdrängen.
Auch HORST ENGEL (60) stünde für das Amt bereit. Zwar ist auch der Hauptkommissar a.D. kein Bürgerrechtsliberaler, aber dafür innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Er hat sich also immerhin schon mal eingehender mit der Thematik beschäftigt. Allerdings ist der Gründungsvorsitzende des Surf- und Segel-Clubs Pulheim e.V. nicht gerade für seine Eloquenz und intellektuelle Brillanz bekannt, wäre also nur ein Wolf mit anderen Mitteln.
CHRISTIAN LINDNER (28) ist Generalsekretär der NRW-Liberalen – und als solcher steht er natürlich in der Öffentlichkeit dem angeschlagenen Wolf bei. Ist schließlich sein Job. Trotz seines rednerischen Talents wird der jüngste aus dem liberalen Führungsclan nicht als möglicher Minister gehandelt. Aber falls Papke an Wolfs Stelle rückt, wäre für den ehrgeizigen Politikwissenschaftler der Fraktionsvorsitz frei.
VON ANNIKA JOERES UND PASCAL BEUCKER
Innenminister Ingo Wolf droht die Abschiebung. Der Liberale verliert die Unterstützung in den eigenen Reihen. „Er hat ein Problem mit seiner Außendarstellung“, heißt es aus Regierungskreisen. Er missachte die öffentliche Meinung. Persönlich will aber niemand den liberalen Minister angreifen. „Die Rücktrittsgeschichte ist völlig absurd“, sagt FDP-Generalsekretär Christian Lindner zur taz. Die fortwährenden Gerüchte seien ein soziologisches Phänomen: „Ohne dass sich an der Situation irgendetwas verändert hat, wird auf den Minister eingedroschen,“ so Lindner. Irgendwann sei „die Märchenstunde“ aber auch wieder beendet.
Märchen erzählen Wolfs KritikerInnen allerdings nicht. So herrscht in der von ihm geleiteten Behörde eine Stimmung wie sie schlechter kaum sein könnte. Wolf habe „innerhalb kürzester Zeit einen großen Teil der Beschäftigten gegen sich aufgebracht“, wetterte kürzlich Michael Puttkamer, der Personalratsvorsitzende des Innenministeriums. Wolf habe eine „Kultur des Misstrauens“ geschaffen und würde „bewusst die Öffentlichkeit zu Lasten der eigenen Beschäftigen“ täuschen. Laut Christlich-Demokratischer Arbeitnehmerschaft (CDA) pflege Wolf einen „Umgang mit Beschäftigten nach Gutsherrenart“. Ihm sei es „gelungen, vom kleinsten Polizeibeamten bis hin zu den Führungskräften der Polizei die Frustration in bisher nicht bekannte Höhen zu treiben“, heißt es in einem in dieser Woche bekannt gewordenen Brief der CDU-Arbeitnehmervereinigung an den Minister. Behördenmitarbeiter schildern Wolf als „selbstherrlich“ und „beratungsresistent“. Bisweilen wirke er auf sie sogar „wahrnehmungsgestört“. Im Landtag kanzelt der frühere Jura-Repetitor von FDP-Chef Guido Westerwelle solcherlei Kritik allerdings als „Gewerkschaftspolemik“ ab.
Für die FDP wird zudem zu einem Problem, dass der Bürokrat nicht ihre ureigenen liberalen Grund- und Freiheitsrechte vertritt. Gegen das von ihm verantwortete neue Verfassungsschutzgesetz gehen Alt-Liberale mittlerweile juristisch vor: Der frühere FDP-Innenminister Gerhart Baum legt Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz ein. Es erlaubt VerfassungsschützerInnen, private Computer unbemerkt online zu durchsuchen. Nach Ansicht von Baum verletzt die Gesetzesneuregelung gleich drei Grundrechte: die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Garantie eines effektiven Rechtsschutzes. Auch Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bezeichnete das Gesetz als „unglaubliche Ermächtigungsgrundlage“. Sie forderte ihren Parteifreund auf, das Gesetz noch einmal zu überdenken. Ende Dezember wurde das Gesetz trotzdem verabschiedet.
Neben den parteiinternen KritikerInnen rücken nun selbst konservative Medien vom früheren Oberkreisdirektor aus Euskirchen ab. Er sei ein „verlässlicher Partygast“, spottete die Rheinische Post – bestimmt kein den Gewerkschaften nahe stehendes Blatt. Sie spottet überdies noch über seine fehlenden Fremdsprachenkenntnisse: „Englisch wurde in Euskirchen nicht gesprochen.“ Und der Berliner Tagesspiegel konstatierte, auch CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ärgere sich zunehmend über die „Eskapaden seines Innenministers“. Und die regierungsnahe BILD schlägt Fraktionschef Gerhard Papke als möglichen Nachfolger vor.
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