: Ermittlungen im rechten Sumpf
Bei den Ermittlungen zum Mord am armenischen Journalisten Hrant Dink verhört die türkische Staatsanwaltschaft jetzt auch Politiker der rechtsextremen BBP in Trabzon
ISTANBUL taz ■ Erstmals hat gestern die Staatsanwaltschaft in Istanbul im Fall des Mordes an dem armenischen Journalisten Hrant Dink auch vier Politiker verhört. Dabei handelt es sich um Yasar Cihan, den Gebietsvorsitzenden der islamo-faschistischen BBP von Trabzon, dessen Sohn und zwei weitere BBP-Funktionäre aus Trabzon. Die Staatsanwaltschaft wirft den Beschuldigten vor, die Familie des Drahtziehers des Attentats, der die Pistole besorgte und den Schützen losgeschickt hatte, finanziell unterstützt zu haben. Der Mann, der als Kopf der Gruppe gilt, die den Mord an Hrant Dink plante und ausführte, war bereits ein paar Jahre zuvor von der BBP finanziell unterstützt worden, nachdem er, ebenfalls aus nationalistischen Erwägungen, eine Bombe in ein McDonald’s-Restaurant in Trabzon geworfen hatte.
Die Festnahme der vier BBP-Funktionäre zeigt, dass die Polizei offenbar erstmals ernsthaft versucht, politische Drahtzieher für das Attentat auf den prominenten Armenier ausfindig zu machen. Die BBP ist die am weitesten rechts stehende Splittergruppe im türkischen Parteienspektrum. Sie entstand 1992, als sich eine Gruppe um ihrer Führer Muhsin Yazicioglu von der rechtsradikalen MHP abspaltete. Die Dissidenten stritten für eine stärkere Integration des Islam in die rechtsradikale Bewegung der Türkei, und als sie sich nicht damit durchsetzten konnten, gründeten sie die BBP. Lange Jahre hat die BBP lediglich ein Schattendasein geführt und wurde weder von der MHP noch von den Islamisten ernst genommen.
Das könnte sich jetzt ändern. Viele, denen die MHP zu schlapp geworden ist, orientieren sich jetzt mehr an der BBP. In Trabzon, der insgesamt sehr rechtslastigen und nationalistischen Hafenstadt am Schwarzen Meer, hat die BBP offenbar bereits eine gesellschaftliche Basis erreicht. Die arbeitslosen Jugendlichen, aus deren Reihen der Attentäter stammt, kommen alle aus einem bestimmten Stadtviertel und befanden sich offenbar schon länger im Dunstkreis der BBP.
Die armenische Gemeinde in der Türkei und allen voran der Patriarch Mesrup Mutafyian hat in den letzten Wochen wiederholt beklagt, dass die Polizei keine Anstalten machen würde, sich mit den politischen Hintermännern der Mörder zu befassen. JÜRGEN GOTTSCHLICH
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