EDITH KRESTA AUFGESCHRECKTE COUCHPOTATOES: Wir sehen uns beim Käpt’ns Dinner
Kreuzfahrtschiffe sind Traumschiffe, das wissen wir alle aus dem Fernsehen zur besten Sendezeit. Als im Januar 2012 die „Costa Concordia“ bei Giglio kippte und 32 Menschen starben, hat das der Boombranche nicht geschadet. Im Gegenteil. Die Schiffe werden mehr, höher, größer, schöner, spaßiger. Hier fühlt sich jeder wie im Grand Hotel, Käpt’ns Dinner inklusive. 6.000 Passagiere kreischend von der Free-Fall-Rutsche, mit dem Ballermann erprobten Schlagersänger Norman Langen ins Abendprogramm oder Martin Zingslein übt sich am Klavier und in Gesellschaftskritik. Langeweile gibt es nicht. Massentourismus heute konzentriert sich auf engstem vergoldeten Raum und streift dabei die schönsten Destinationen dieser Welt. Beispielsweise Venedig.
Der Wellenschlag, den die Großturbinen dabei verursachen, höhlt Fundamente aus, greift die Pfähle an, auf denen Venedig steht; die Abgase der Dieselmotoren nagen am Marmor des Weltkulturerbes, und der Markusplatz läuft über, wenn sich 4.000 Passagiere auf einmal aus dem Schiffsbauch ergießen. Kippt so ein 60 Meter hoher Dampfer, könnte er doch glatt den Dogenpalast unter sich begraben.
„Kreuzfahrtschiffe raus aus der Lagune!“ ist daher der Schlachtruf vieler Protestkundgebungen in Venedig. Nun wurde beschlossen, für die Kreuzfahrtschiffe einen neuen Kanal in die Lagune zu baggern. Damit sind alle Lösungsvorschläge vom Tisch, die mit Hinweis auf das zerbrechliche ökologische Gleichgewicht die Riesenschiffe an der Einfahrt in die Lagunenstadt hindern wollten.
Mehr als zwei Millionen Touristen kommen jedes Jahr auf dem Seeweg hier vorbei. Sie alle wären enttäuscht, würde ihnen der Blick auf die 1.000 Kanäle vorenthalten, weil die Schiffe außerhalb der romantischen Lagunenstadt anlegen müssten. Urlauber buchen eine Kreuzfahrt vor allem deshalb, um auf bequeme Weise möglichst viele Städte, Häfen und Sehenswürdigkeiten zu erleben. Nach uns die Sintflut, vor uns Neapel!
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