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vor ort: RecklinghausenSTEPHANIE KASSING über den umstrittenen Bau eines nicht vorgesehenen Schülerwohnheims

Unscheinbar wirkt das Gebäude an der Dortmunderstraße 170. Früher befand sich hinter der grün-bräunlichen Fassade eine Gaststätte, heute ist es Sitz des zum Verband Islamischer Kulturzentren (VIKZ) gehörenden „Verein für Bildung und Integration e.V.“. 110 Jahre alt ist der Altbau – Zeit, ihn abzureißen und ein neues Gebäude dort hinzusetzen, dachte sich der VIKZ und stellte eine Voranfrage für den Neubau eines „Islamischen Kulturzentrums“. Doch an dem Plan scheiden sich in Recklinghausen schon seit Monaten die Geister. Jetzt wurde der Antrag erst einmal auf Eis gelegt – im gegenseitigen Einvernehmen.

„Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es nicht sinnvoll ist, die Angelegenheit über‘s Knie zu brechen“, erklärt Schul- und Jugenddezernent Georg Möllers. Nach einem Gespräch zwischen Vertretern der Stadtverwaltung und Mitgliedern des VIKZs stand fest, dass der Verband seine Anfrage noch einmal überdenken soll. Zum einen gäbe es baurechtliche Probleme. So plane der VIKZ für seinen Neubau eine große Parkplatzanlage, die schwierig umzusetzen sei, sagt Baudezernent Dietmar Schweltick. „Wenn Elemente aus dem Gesamtpaket nicht genehmigungsfähig sind, kann der komplette Antrag scheitern.“

Vor allem der Plan, auch Übernachtungsmöglichkeiten anzubieten, hat in Recklinghausen die Aufmerksamkeit erregt. Da in dem Zentrum auch Kurse für Jugendliche stattfinden, muss der Bau auch jugendrechtlich genehmigt werden. Ein Schülerwohnheim sei aber nicht geplant, erklärt Ersoy Sam, Berater des VIKZs: „Das ist uns in den Mund gelegt worden. Die Schlafplätze sollen ausschließlich erwachsenen Seminarteilnehmern dienen.“ Auch die laut Recklinghäuser Zeitung von Anwohnern gemachten Beobachtungen, dass Kinder bereits seit drei Jahren am Wochenende in dem Zentrum an der Dortmunderstraße übernachten und nur kurz auf den Hof zum Spielen gelassen werden, weist Sam entschieden zurück. „Wir haben auf dem Gelände ein Feriencamp veranstaltet. Das war aber mit dem Jugendamt abgesprochen und vom Ministerium genehmigt.“

Die nun beschlossene Auszeit will der Verband dazu nutzen, der Stadt seine Jugendarbeit näher zu bringen. „Unsere Angebote dienen hauptsächlich der Integration von Jugendlichen. Daher organisieren wir zum Beispiel nachmittags Nachhilfe für Schülerinnen und Schüler“, so Sam.

Die Jugendbehörde der Stadt will sich die Tätigkeiten des VIKZs genauer angucken. „Der Träger muss nachweisen, dass sein Bestreben wirklich integrationsfördernd ist“, so Möllers. Ähnlich kritisch sieht es Islamwissenschaftler Stefan Reichmuth: „Nach einer durch Offenheit geprägten Phase sind in den letzten Jahren isolationistische Tendenzen beim VIKZ zu verzeichnen.“

Ersoy Sam dagegen kann das Vorgehen der Stadt nicht verstehen: „Wir sind die älteste islamische Organisation in Deutschland und nie negativ aufgefallen. Für mich liegt hier – aufgrund einer Gesamtstimmung in Deutschland – eine unbegründete Sensibilität vor.“

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