: CDU gräbt Knute aus
Mit geschlossenen Heimen für straffällige Kinder und Pflichtkurse für ihre Eltern will Regierungschef Rüttgers die Kriminalität in NRW bekämpfen. Opposition spricht von „reinem Populismus“
VON NATALIE WIESMANN
Die Erziehungsmethoden des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten kommen nicht überall gut an. Jürgen Rüttgers (CDU) Forderung etwa, schwer erziehbare Kinder in geschlossenen Heimen unterzubringen, wird von der Opposition und ErziehungswissenschaftlerInnen als „populistisch“ und als „Rollback in die 50er“ verworfen.
Rüttgers hatte in einem Gastkommentar in der Bild am Sonntag angekündigt, härter gegen junge Straftäter vorgehen zu wollen: „So genannte Intensivtäter müssen zu spüren bekommen, dass wir ihr Verhalten nicht hinnehmen.“ Die Unterbringung in geschlossenen Heimen müsse auch für diejenigen gelten, die unter 14 Jahren, also nicht strafmündig sind.
Die Kölner Pädagogik-Professorin Elke Kleinau findet die Vorstellung von geschlossenen Einrichtungen unheimlich: „Das erinnert an die Heime der 60er und 70er, wo es viel Missbrauch und Misshandlung gab“, sagt die Expertin für historische Pädagogik. Dies habe zur Heimrevolte geführt, die auch im Zusammenhang mit der Gründung der RAF gestanden hätte: „Ulrike Meinhof hat damals ihre Empörung über die Heimkinder niedergeschrieben“, so Kleinau.
Auch die Forderung Rüttgers, für „Eltern mit gravierenden Erziehungsdefiziten“ Pflichtkurse einzurichten, hält die Pädagogin für einen populistischen Schnellschuss: „Mit Zwang kann man Eltern nicht zum Erziehen bewegen“, sagt Kleinau. Die Politik gebe immer schnelle Lösungen vor, die in der Pädagogik nicht angebracht seien. „Es laufen einige präventive Modelle, deren Wirkungen noch nicht erkennbar sind.“
In Gelsenkirchen und Dormagen knüpfen zum Beispiel MitarbeiterInnen des Jugendamts durch einen „Begrüßungsbesuch“ direkt nach der Geburt eines Kindes Kontakt zu den Eltern. In vielen Städten NRWs werden Erziehungsführerscheine angeboten oder Kurse, die sich „Starke Eltern, starke Kinder“ nennen.
„Das ist aber alles freiwillig und das muss auch so bleiben“, sagt Andrea Asch, jugendpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag. Auch sie setzt auf Prävention: „Rüttgers soll die bestehenden Beratungsstellen für Erziehung besser ausstatten und nicht jedes Jahr den Haushalt dafür kürzen.“ Außerdem frage sie sich, wer eigentlich bestimmen soll, wer die schlechten und die guten Eltern sind. Auch SPD-Abgeordneter Thomas Kutschaty hält Rüttgers Idee für abwegig und unausgegoren: „Wie die Sanktionen aussehen könnten für Eltern, die sich der Pflicht verweigern, sagt der Ministerpräsident auch nicht.“
All das müsste in einem Gesetzesentwurf stehen – den es aber noch nicht gibt. „Wir arbeiten bisher nicht an einem solchen Gesetz“, heißt es aus dem zuständigen Jugend- und Familienministerium in Düsseldorf.
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