ITALIEN: DIE NEUE, GEMÄSSIGT LINKE PARTEI KÖNNTE NOCH SCHEITERN: Skepsis an der Basis
„Eine historische Stunde“: Diese Worte waren am letzten Wochenende in Italien oft genug zu hören. Zu hoch gegriffen scheinen sie nicht: Die Vereinigung der Linksdemokraten und der Margherita zur neuen Demokratischen Partei – zu einer Partei, die mit gut 30 Prozent die stärkste politische Kraft werden könnte – hätte durchaus etwas Historisches in einem Land, in dem Spaltungen, nicht Vereinigungen zur Tradition zählen.
Das Ziel von Premier Romano Prodi und den Parteiführungen ist ein starkes Kraftzentrum der Koalition, zumal sie das für gemäßigt linke Wähler attraktiver machen könnte. So plausibel diese Überlegungen sind, so reichten sie dennoch nicht, um echten Enthusiasmus zu entfachen. Allzu sehr war die alte Rivalität zwischen Linksdemokraten und Margherita auch in den Diskussionen um die Vereinigung zu spüren, allzu deutlich sah das Projekt bisher eher nach Vernunftehe denn nach Liebesheirat aus. Und allzu deutlich korrespondierte mit dem gegenseitigen Misstrauen an der Spitze der Apparate zweifelnde Skepsis an der Basis.
Überraschend ist das nicht. In der Margherita dominieren frühere Christdemokraten, die Linksdemokraten dagegen sind die Nachfolger der alten KPI. Voraussagen über den Ausgang des Projektes bleiben deshalb heute im Reich der Spekulation. Zwei Streitpunkte zeichnen sich schon ab. Da ist zum einen die Haltung gegenüber dem Vatikan und dessen harter Gegnerschaft gegen eingetragene Lebensgemeinschaften. Die klerikal-konservative Linie hat viele Unterstützer in der Margherita – und vehemente Gegner bei den Linksdemokraten.
Zudem ist da auf der anderen Seite die internationale Zugehörigkeit der Partei. Die Margherita will von einer Mitgliedschaft bei den Sozialdemokratischen Parteien nichts wissen – die Linksdemokraten dagegen machen sie zur unbedingten Voraussetzung. An beiden Fragen können die Parteiführungen jetzt ihre Kraft zum Konsens austesten. Erst dann wird klar sein, ob die neue Demokratische Partei mehr sein wird als eine bloße Hülle, in der dann doch zwei Parteien überleben.
MICHAEL BRAUN
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