: Mehr Nazis, keine Islamisten
„Die NPD wird dreister“, sagte Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichtes. Feste Strukturen von islamistischen Kräften gebe es im Land dagegen nicht
Deutlich mehr rechtsextreme Straftaten, deutlich weniger linksextreme: Diese Tendenz zeigt der Verfassungsschutzbericht für Schleswig-Holstein, den Innenminister Ralf Stegner und der Leiter des Verfassungsschutzes, Horst Eger, gestern vorstellten. Insgesamt registrierte die Polizei im vergangenen Jahr 510 Taten von Rechtsextremen, 173 mehr als 2005, darunter 65 Gewaltdelikte. 1.350 Menschen zählt der Verfassungsschutz zur rechtsextremen Gruppe, die Zahl stagniere. Sehr aktiv sei die 660 Personen starke Skinhead-Szene.
Seit Jahren unverändert ist die Zahl derer, die der Verfassungsschutz als linksextrem einschätzt, sie liegt bei 820. 118 Straftaten werden dem linken Spektrum zugeordnet, 155 weniger als 2005. Ein Grund für den Rückgang könnte sein, dass sich gewaltsame „Auseinandersetzungen zwischen Links- und Rechtsextremen“ vor Wahlen häufen, und die hat es 2006 im Land nicht gegeben. In diesem Jahr könnte der G-8-Gipfel einen Zuwachs an linken Aktionen bringen. Stegner betonte zwar, dass die meisten Gruppen friedlich protestieren wollten, aber einige hielten Gewalt „für ein legitimes Mittel“. Die Sicherheitsbehörden seien darauf eingestellt.
Die größere Gefahr kommt allerdings von rechts: „Die NPD wird dreister“, sagte Stegner. Rechtsextreme verkleideten sich „im Gewand des Biedermanns“. Aktuell versuchen sie, sich an Bürgerinitiativen anzuschließen und sich den Protest gegen neue Schulformen und Kreisreformen zu eigen zu machen. Ein Zentrum der rechten Szene ist der Kreis Dithmarschen, und es gibt Unterstützung aus anderen Bundesländern: Zur Kommunalwahl in Schleswig-Holstein im kommenden Jahr hätten Rechte aus Mecklenburg-Vorpommern bereits aktive Hilfe angeboten.
Feste Strukturen von islamistischen Kräften gebe es im Land wohl nicht, aber Einzelpersonen mit Kontakt zur Szene – bestes Beispiel ist der im vergangenen Jahr auf dem Kieler Bahnhof festgenommene Kofferbomber. „Die Sicherheitslage ist angespannt“, sagte Stegner. Dennoch: „Für Verhaftungen ohne Grund und die Sammlung von Fingerabdrücken wird es aus Schleswig-Holstein keine Stimme geben.“ Wer Grundrechte aufgebe, arbeite dem Terrorismus in die Hände. Sinnvoller sei es, die friedliche Mehrheit der Migranten besser zu integrieren, etwa durch das Angebot einer doppelten Staatsbürgerschaft, um die kleine Gruppe der Terror-Verdächtigen zu isolieren.
Die Frage, wie Polizei und Verfassungsschutz ihre Arbeit aufeinander abstimmen, wollten Stegner und Eger nicht beantworten. Ungeklärt blieb, ob die Polizei Videoaufnahmen etwa von rechten Aufmärschen an den Verfassungsschutz weiterleitet – damit könnten auch Gegendemonstranten oder Zuschauer ins Visier der Schlapphüte geraten. „Es ist kein unbescholtener Bürger in der Kartei“, sagte Eger. ESTHER GEISSLINGER
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