loveparade in essen: Denkt euch selber mal wat aus!
Essen hat das Rennen gemacht. Was kaum noch jemand bezweifelt hatte, ist nun endlich offiziell. Anstatt in Berlin werden die Raver nun also in Essen um die Häuser ziehen. Doch ein „anstatt“ ist nur die halbe Wahrheit. In Berlin wird ab 2008 die B-Parade, veranstaltet von ehemaligen Loveparade-Organisatoren, die Siegessäule umgarnen. Offensichtlich waren diese als Geschäftspartner willkommener als McFit- Besitzer Schaller. Und das Ruhrgebiet? Es bleibt sich treu und importiert den Eventabfall anderer Städte.
KOMMENTAR VON CHRISTIAN WERTHSCHULTE
Überraschend ist das nicht. Fast alle Pop-Trends der letzten Jahrzehnte sind irgendwann ein bisschen verspätet im Ruhrgebiet gelandet und dort fossiliert worden, egal ob Punk, Rave oder Jazz. Zwischen Duisburg und Dortmund gibt es keine Geburtsstätten von Poptrends wie das CBGB‘s, den Tresor und erst recht keine Knitting Factory. Tragisch ist das nicht – nur symptomatisch für einen Umgang mit Kultur, der mit dem Ausdruck „Kreativwirtschaft“ seinen passenden Euphemismus gefunden hat. Wichtig sind ihm zu allererst die Zahlen unter dem Strich. Subkultur geht jedenfalls anders.
Was die Stadtoberen von Essen dabei nicht wahrnehmen: Auch in Berlin konnte die Loveparade nur dadurch so lange überleben und auf Akzeptanz stoßen, weil es eine Clubszene gab, die auch außerhalb des Paradenwochenendes lebendig und vielfältig ist. Im Ruhrgebiet kann man solche Clubs an einer Hand abzählen, dass sie sich durch die Loveparade spontan vermehren und dabei ungeahntes Kreativpotenzial geweckt wird, glaubt niemand. Stattdessen werden also öffentliche Ressourcen für ein Event mobilisiert, dass selbst bei den Technostars des Ruhrgebiets für Unbehagen sorgt. Den Kreativwirtschaftlern dürfte das egal sein. Ihre kreativen Leistungen sind sowieso eher logisch-deduktiver Natur und benötigen nicht besonders viel Phantasie. Sie erschöpft sich im Berechnen der Hotelbettenbelegung.
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