: Der Henker ist tot
■ Soll um die 40 Jahre alt gewesen sein■ Verlor ein Bein in der Schlacht um Kabul 1996■ Gilt als extrem brutaler Kommandant■ Für die Taliban war er ein Held
AUS DELHI BERNARD IMHASLY
Mullah Dadullah ist tot. Nach Aussagen der afghanischen Regierung und der Nato-Schutztuppe Isaf wurde der Militärchef der Taliban-Rebellen am Samstag bei einer von westlichen Soldaten unterstützten Aktion afghanischer Sicherheitskräfte im Süden des Landes erschossen. Ein Sprecher des Innenministeriums in Kabul erklärte, Dadullahs Leiche sei unter toten Aufständischen identifiziert worden.
Der aufgrund seiner besonderen Grausamkeit „Henker der Taliban“ genannte Dadullah war zuvor schon mehrmals für tot erklärt werden. Daher führten die Behörden seine Leiche diesmal Journalisten vor. Diese identifizierten den Taliban-Kommandanten nicht nur über sein Holzbein, das er seit der Zeit des Kriegs gegen die Sowjets trug. Im Unterschied zu anderen prominenten Taliban hatte sich Dadullah auch filmen lassen. Sein Gesicht war der Öffentlichkeit daher bekannt.
Der rund vierzigjährige Dadullah war dafür bekannt, dass er Nachrichtenagenturen anrief und mit bevorstehenden Sabotageakten oder Suizidtätern drohte. Dies war Teil seiner psychologischen Kriegführung. Im vergangenen Jahr etwa hatte Dadulallah auf diesem Weg die Information lanciert, „Hunderte von Suizid-Willigen“ warteten nur auf seinen Einsatzbefehl. Auch die seit einem Jahr zunehmenden Entführungen von Vertretern ausländischer Hilfswerke werden dem Taliban-Militärchef angelastet. So soll er das Kidnapping des italienischen Journalisten Daniele Mastrogiacomo und seines afghanischen Kollegen Naqshbandi eingefädelt haben sowie die Entführung zweier französischer Entwicklungshelfer im März. Die brutale Behandlung der Gefangenen (siehe unten) würde zu Dadullahs pathologischem Hass auf „Kafirs“ (Ungläubige) und deren afghanische Helfer passen.
Der aus einem Paschtunen-Stamm in Belutschistan stammende Dadullah gehörte bereits vor dem Sturz der Taliban im November 2001 zu deren hartem Flügel. Dieser tat sich mit seiner Grausamkeit im Kampf gegen die Nordallianz hervor. Der Gouverneur der Provinz Kandahar rechtfertigte Dadullahs Erschießung auch mit dem Hinweis, der Taliban-Militärchef habe viele afghanische Leben auf dem Gewissen.
Laut pakistanischen Berichten war es Dadullah, der nach seiner Flucht nach Pakistan begann, die versprengten Taliban in Belutschistan wieder zu sammeln und für die Rückeroberung der Macht vorzubereiten. Der oberste Taliban-Chef Mullah Omar, dessen enger Vertrauter der Militärchef war, holte ihn 2003 in den zehnköpfigen Führungsrat der Islamkämpfer. Zwei Jahre später wurde Mullah Dadullah Militärchef der Taliban für die südlichen Provinzen Afghanistans.
Ein Isaf-Sprecher erklärte gestern, Dadullah werde bald ersetzt werden. Die lose Kommandostruktur der Taliban hätte zur Folge, dass der Tod des Militärchefs ihre Kampfkraft nicht direkt schwäche. Gleichzeitig sei Dadullahs Verschwinden aber mehr als ein rein psychologischer Schlag für die Gotteskrieger, denn der „Henker“ habe wie kein anderer Grausamkeit mit Schlauheit verbunden. Mit seiner langjährigen Guerilla-Erfahrung habe Dadullah sowohl das Verhalten der ihm unterstellten Verbände als auch die Weisungen von Mullah Omar beeinflussen können. Insofern hätten die Aufständischen „einen schweren Schlag erlitten“.
Derweil hat sich Afghanistans Präsident Hamid Karsai geweigert, Außenminister Rangin Dadfar Spanta des Amtes zu entheben. Der Präsidentenpalast teilte am Samstag mit, Karsai habe das Verfassungsgericht angerufen, um zu überprüfen, ob die Absetzung Spantas durch das Parlament rechtmäßig sei. Bis zu einer Entscheidung werde Spanta seine Aufgaben weiterführen. Dem Minister wird vorgeworfen, die Massenabschiebungen von afghanischen Flüchtlingen aus dem Iran nicht verhindert zu haben.
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