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Zwischen Hip und Flop

Erstes „Late Night Shopping“ in der City: Der Einzelhandel ist „zufrieden“, die Angestellten sind frustriert

Eigentlich ist Ramona Bach (Name geändert) eine Frohnatur, wenn die Verkäuferin hinter ihrem Stand im Kaufhaus steht. Am Sonnabend ist das anders: Eher vergrätzt tritt sie mittags hinter ihre Kasse. „Wenn ich mir vorstelle, dass ich meine erste große Pause erst um halb acht abends habe, wo ich normalerweise nach Hause gehe, wird mir ganz anders“, zischt sie ihrer Kollegin zu. Die sagt: „Mein Freund geht heute Abend auf eine Party.“ Der Kleine sei zwar untergebracht, „aber ob ich noch zur Party fahre, weiß ich nicht“, sagt sie. Vom langen Sonnabend erwartet sie nichts: „Ich habe mir extra keine hohen Hacken angezogen. Wenn es so ein Flop wird wie zur WM, steht man sich ja nur Krampfadern in den Bauch.“

Das erste „Late Night Shopping“ in der Innenstadt war wohl kein Langweiler – aber auch kein Hit. Tausende Shopper tingelten zwar bei lauen Lüften gern zu später Stunde über die Straßen und durch die Gänge der Kaufpaläste – aber waren sie auch kauflustig? Ulf Kalkmann, Sprecher des Einzelhandelsverbands, sieht „die Aktion“ als Erfolg. „Wir sind sehr zufrieden“, sagt er, „viele von außen haben die Möglichkeit genutzt, weil sie sich so etwas nicht entgehen lassen wollten.“ Die Einzelhändler analysierten nun, ob die verlängerte Öffnung in diesem Jahr noch einmal wiederholt werde. Kalkmann: „Das können wir nicht überstrapazieren.“

Die Gewerkschaft Ver.di hält die Aktion indes eher für eine verzweifelte Maßnahme zu Lasten der Angestellten, um die Ladenschluss-Freigaben des Senats zu rechtfertigen: Inzwischen haben sich die meisten Geschäfte unter der Woche von langen Öffnungszeiten wieder verabschiedet. Ob hippe Jeansläden, Kaufhäuser oder seriöse Edelgeschäfte: Kaum einer macht noch mit. Denn: „Auch die Topmanagerin“, sagt eine Ladeninhaberin, „leistet sich nur einmal im Monat ein paar tolle neue Schuhe.“ KVA

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