: Einer lädt es auf sich
Chalid Scheich Mohammeds Bekenntnisse, so sagt er vor dem Tribunal, seien ohne Zwang erfolgt
AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF
„Ich war von A bis Z verantwortlich für die Operation 11. September“, soll der mutmaßliche Planungschef der Terrororganisation al-Qaida, Chalid Scheich Mohammed, gestanden haben. Der 41-jährige Pakistaner soll sich am vergangenen Samstag in einer Geheimanhörung im US-Militärgefängnis auf Guantánamo, Kuba, für die Organisation der Anschläge vom 11. September 2001 und von rund 30 weiteren Anschläge und Mordplänen schuldig bekannt haben. In die Öffentlichkeit gelangten seine Aussagen, nachdem das US-Militär am Mittwoch Teile des Vernehmungsprotokolls veröffentlichte.
Chalid Scheich Mohammed soll nach Angaben des US-Militärs bis zu seiner Festnahme im März 2003 in Pakistan der militärische Kopf der al-Qaida gewesen sein. Nach Ussama Bin Laden und Aiman al-Sawahiri gilt Mohammed als Nummer drei im Terrornetzwerk. Das US-Militär hatte im September 2006 14 Haupt-Terrorverdächtige in ihr Gefangenenlager auf Kuba verlegt, unter ihnen Scheich Mohammed, der zuvor in einem nicht weiter benannten CIA-Gefangenenlager eingesessen haben soll. Die US-Regierung bezeichnet ihn als einen „der niederträchtigsten Terroristen der Geschichte“.
Nach Angaben des Pentagon soll Mohammed vor einem Revisionstribunal gesprochen haben, dessen einzige Aufgabe es ist, zu überprüfen, ob Mohammed zu Recht als „feindlicher Kämpfer“ klassifiziert worden war. Die Einstufung als „enemy combatant“ ist Voraussetzung für eine Anklage Mohammeds und der 13 weiteren Verdächtigen und ihre Aburteilung vor einem Militärtribunal. Mohammeds Aussagen werden sicherlich in Zukunft gegen ihn verwendet werden.
Einen Verteidiger hatte Mohammed laut den Regeln des Tribunals nicht erhalten, wohl aber einen „persönlichen Repräsentanten“. Auch sein Versuch, zwei Zeugen zu berufen, wurde abgelehnt. Zudem deutete das Tribunal an, geheime Beweise gegen Mohammed zu verwenden, die ihm aber nicht zugänglich gemacht wurden. Auch Journalisten wurden ausgeschlossen. Die Revisionstribunale waren eingerichtet worden, nachdem der Oberste Gerichtshof der USA 2004 angeordnet hatte, dass der von US-Präsident George W. Bush verhängte Status der Gefangenen auf Guantánamo als „feindliche Kämpfer“ und deren unbegrenzte Haftdauer überprüft werden müsse.
Laut der Mitschrift sagte Scheich Mohammed in gebrochenem Englisch, er sei nicht glücklich über die fast 3.000 Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington. „Es tut mir sogar leid. Ich mag es nicht, Kinder zu töten. Ich mag es nicht, Menschen zu töten.“ Doch „die Sprache des Krieges seien Opfer“ und die Amerikaner seien seine Feinde. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 habe er eine zweite Angriffswelle geplant, heißt es in der Mitschrift der Aussage weiter. Ziele seien der Library Tower in Kalifornien, der Sears Tower in Chicago, die Plaza Bank in US-Bundesstaat Washington und das Empire State Building in New York gewesen. Er sei zudem für die Planung und Finanzierung von Anschlägen verantwortlich gewesen, bei denen US-Militärschiffe und Öltanker in der Straße von Gibraltar, der Straße von Hormus und dem Hafen von Singapur zerstört werden sollten.
Auch das erste Attentat auf das World Trade Center 1993 und die Anschläge von Bali 2002 gehen dem Protokoll zufolge auf Scheich Mohammeds Konto. Zudem habe er hinter dem Anschlagsversuch des „Schuhbombers“ gesteckt. Auch die Planung der fehlgeschlagenen Attentate auf Papst Johannes Paul II. sowie die ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton und Jimmy Carter gingen auf sein Konto, hieß es. Einige der Anschlagspläne, für die Mohammed nun verantwortlich zeichnen will, darunter der auf Carter, waren bislang nicht öffentlich bekannt geworden. Laut dem Protokoll soll Mohammed gesagt haben, dass einige seiner früheren Aussagen unter Folter zustande gekommen sein sollen. Er betonte laut Mitschrift aber, dass er die Aussagen am Samstag nicht aufgrund von Druck oder Drohungen mache. Seine Taten, erklärte Mohammed, seien wie die anderer Revolutionäre. „Wenn die Briten im Unabhängigkeitskrieg George Washington gefangen genommen hätten“, sagte er, „hätten sie ihn sicherlich für einen feindlichen Kämpfer gehalten. Wir tun das Gleiche wie er.“
Das Pentagon veröffentlichte auch Niederschriften von Anhörungen im Fall des Libyers Abu Faradsch al-Libi und des Jemeniten Ramsi Binalschib. Beide weigern sich, an den Anhörungen teilzunehmen, die sie als unfair bezeichnen. Binalschib soll Mohammed bei der Planung der Anschläge vom 11. September geholfen haben. Al-Libi soll im Dezember 2003 innerhalb von elf Tagen zwei Attentate auf Pakistans Präsident Pervez Musharraf organisiert haben.
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