piwik no script img

24 stunden spreebogen, folge 4Von 3 bis 4 Uhr

Und ist die Nacht noch so schwarz – es wird niemals dunkel im Herzen der Macht. Dafür sorgen Hunderte, wenn nicht Tausende von Lichtquellen; eine wahre Leistungsschau des Beleuchtungswesens, da ins Zentrum der deutschen Politik gestellt. Sicherheitsüberlegungen treffen sich mit der Formulierung eines Wunsches an die Politik. Öffentlichkeit herstellen! Keine dunklen Nischen lassen! Das aber ohne Zentralbeleuchtung und in aller Vielfalt. Die Sehnsucht nach Offenheit, die im Berliner Regierungsviertel Beton und Glasfassade geworden ist, übersetzt sich des Nachts in ein kleinteiliges Leuchten. Hier glimmt und strahlt die helle Seite der Macht.

Die schlichteste Lampenkonstruktion ist dabei auch die schönste: ein gerader eiserner Mast, darauf ein einfacher runder Glaskörper, der sich nach oben konisch erweitert. Wie ein durchsichtiger Fingerhut sieht das aus, gerade sie wurde in dieser Stunde besonders von Insekten umschwirrt. Gar nicht gefiel mir dagegen ein postmodernes Modell, das vor allem rund um den Bahnhof steht. Mattes Glas, metallische Bügelkonstruktion, dann auch noch zwei horizontale Glasplatten mitten durch die Lampe: allzu vordergründig.

Großartig dagegen eine auf den ersten Blick seltsam anmutende Lampe, in der eine reflektierende Metallfläche schräg über einen in einen Mast eingebauten Strahler montiert ist – was ein sanftes, indirektes Licht ergibt. Dazu leuchten auf so einem tiefnächtlichen Spaziergang viele, viele kleine Lichter: vor Treppenstufen in den Boden eingelassen, ins Dach des Kanzleramtes eingebaut, als Markierung von Brücken ins Geländer montiert. Sehr hübsch auch die bunten Kugeln auf der Spreeseite des Paul-Löbe-Hauses. Alles ist beleuchtet! Und am Ende dieser Stunde ist Richtung Friedrichstraße bereits der beginnende Tag zu erahnen. DIRK KNIPPHALS

Wöchentlich geht der Autor eine Stunde lang durch das Regierungsviertel in der deutschen Hauptstadt – jede Woche eine Stunde später als in der Woche davor. Karsten Thielker begleitet die Reihe fotografisch. – Von 4 bis 5 Uhr: am kommenden Samstag

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen