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Sie schreien nicht „Verrat“

Aktivisten rüsten verbal ab – denn sie brauchen die Grünen noch

BERLIN taz | Vor der Messehalle war die Stimmung eindeutig: Mit Traktoren aus dem Wendland, Transparenten („Super-GAU in Brokdorf 2019?“), Flugblättern und Sprechchören („Abschalten!“) forderten Aktivisten aus der Anti-Atom-Bewegung die Delegierten des Grünen-Parteitags am Samstag in Berlin auf, den schwarz-gelben Atomplänen nicht zuzustimmen.

Schon zuvor hatte ein Bündnis mehrerer großer Verbände und Initiativen – darunter der BUND, Robin Wood, Ausgestrahlt, Campact und die BI Lüchow-Dannenberg – die Grünen in scharfer Form vor einer Zustimmung gewarnt. Dies würde die Brücken zur Anti-Atom-Bewegung wieder einreißen, hieß es in einem offenen Brief an den Parteivorstand. Ausgestrahlt-Sprecher Jochen Stay erklärte gar, der Parteitag entscheide darüber, ob sich die Grünen „auch zukünftig als Teil der Anti-Atom-Bewegung“ sehen.

Genützt hat die Drohkulisse nichts. Und ob sie angemessen war, darüber gibt es in der Szene unterschiedliche Ansichten. „Ich finde es befremdlich, dass manche bestimmen wollen, wer Teil der Anti-Atom-Bewegung ist und wer nicht“, sagte etwa die WWF-Klimaexpertin Regine Günther am Rande des Parteitags. Auch andere rüsten nach der Entscheidung verbal ab. „Ich bin enttäuscht, aber ich gehöre nicht zu denjenigen, die nun ‚Verrat‘ schreien“, sagte Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. Beim Kampf gegen den Endlagerstandort Gorleben werde die Partei noch gebraucht. „Das Verhältnis ist belastet, aber es ist keine Zäsur wie beim Konsens vor zehn Jahren“, meint auch Campact-Geschäftsführer Christoph Bautz. „Wir werden im Austausch bleiben.“

Andere bleiben dabei, dass die Partei innerhalb der Anti-Atom-Bewegung an Glaubwürdigkeit verloren hat. „Aus rein politstrategischen Gründen haben sich die Grünen geweigert, die notwendigen Konsequenzen aus Fukushima zu ziehen“, sagte etwa Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND. Eine Zusammenarbeit sei künftig schwieriger, aber nicht unmöglich, so Weiger. „Wir kämpfen weiter für den schnellstmöglichen Ausstieg. Ob die Grünen mitmachen, müssen sie selbst entscheiden.“

Dass die Anti-Atom-Proteste auch nach dem Bundestagsbeschluss weitergehen, darauf setzen alle Verbände. Nächster Anlass wird der Castortransport im Herbst sein. Auch wenn sie sich öffentlich optimistisch geben, ist den Organisatoren durchaus bewusst, dass die Mobilisierung in Zukunft schwieriger werden könnte. Die mäßige Beteiligung an der Brokdorf-Blockade in der vergangenen Woche gilt intern als schlechtes Omen. Und mit ihrer Zustimmung zur schwarz-gelben Politik werden die Grünen die Bewegung schwächen, fürchtet Ausgestrahlt-Sprecher Jochen Stay: „Die Zustimmung der Grünen wird in der Öffentlichkeit so verstanden werden, dass der Konflikt befriedet ist.“

MALTE KREUTZFELDT

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