: Rocker im Dachkrieg
KONKURRENZ Am Rande Bremens bekriegen sich zwei „Dachbeschichter“-Firmen: Eine gehört einem Hells Angel, die andere steht in Verbindung zu einer „Bruderschaft“ mit Mongols-Kontakten. Nähe zu Neonazis haben beide
Eilig düst der Smart mit der Aufschrift „Dach Expert“ durch die Dorfgassen im Landkreis Rotenburg. Drin sitzen zwei stämmige Männer, hin und wieder halten sie vor älteren Häusern. Ihre Mission: Werbung für Dachbeschichtungen.
Ein paar Orte weiter. Männer in Handwerkskleidung hübschen Dächer mit einer speziellen Beschichtung auf. Sie gehören zur Konkurrenz: „Dachtuning“, zu erkennen am weißen Firmenlogo mit der Frakturschrift. Wie die Kollegen von „Dach Expert“ erinnern auch sie eher an Türsteher.
Beide Firmen haben Verbindungen zu Rockern und Kontakte zu Neonazis – und liegen miteinander im Streit. Eine Konkurrenz, die über normales Geschäftsgebaren hinausgeht: „Dach Expert“ ist mit den Hells Angels vernetzt, „Dachtuning“ mit der rechten Bruderschaft „East Coast Brotherhood“, die wiederum den Mongols nahe steht, den Gegnern der Hells Angels. In Seckenhausen, an der B 6 kurz hinter Bremen liegen die Dependancen der Firmen nur einen Steinwurf voneinander entfernt. Aus Polizeikreisen heißt es, dass es schon zu Schlägereien zwischen den Arbeitern kam. Dachbeschichtungen sind ein gutes Geschäft.
Anders als herkömmliche Handwerksbetriebe bessern Dachbeschichter schadhafte Dachpfannen nicht aus oder decken die Dächer neu, sondern übersprühen sie mit einer Beschichtung. Bundesweit sind Dachdeckerinnungen aufgebracht: „Beschichter und deren aggressives Auftreten am Markt“ nähmen zu. „Unfallverhütungsvorschriften“ würden oft nicht eingehalten. Beschichtungen seien „nur eine kosmetische Maßnahme mit unterschiedlichem, oft kurzfristigem Erfolg“.
Die Mitarbeiter beider Firmen entstammen teils der Rockerszene, teils dem Hooligan- und Kampfsportmilieu. Im Mai 2014 suchte „Dach Expert“ zuverlässige Mitarbeiter, „die nicht auf ihren Feierabend bestehen und stark belastbar sind“. Der Lohn werde dabei zunächst nur vage beziffert, berichtet ein Bewerber. Man solle „zügig arbeiten“ und in ganz Niedersachsen einsetzbar sein, heißt es.
Ein Geschäftsführer der Firma „Dach Expert“ ist Michael Wellering: ein mächtiger Rocker des Hells-Angels-Charters „West Side“. Wellering und sein Geschäftspartner S. haben Kontakte zur rechten Szene: Gemeinsam besuchten sie im Dezember 2013 den berüchtigte Treffpunkt der rechten Szene in Bremen, das „Bells“ am Hauptbahnhof – so legt es ein Facebook-Post nahe. Dort trafen sie anscheinend den Ex-Schwager von Wellering: Sascha M. Der gilt als ein Hooligan der rechten „Standarte Bremen“ und arbeitet im zivilen Leben bei einer Versicherung.
Sascha M. und Wellering pflegten aber auch Kontakte zu Neonazi-Rockern des „MC Schwarzen Schar“ aus Wismar, einem mit den Hells Angels befreundeten Club, der heute verboten ist. Vor dem Landgericht Schwerin müssen sich derzeit vier der Wismarer Rocker wegen Drogenhandels im großen Stil verantworten. Die Polizei hatte zwei „Schar“-Mitglieder hochgenommen – sie kamen aus dem Bremer Umland, es wurde Kokain im Wert von 25.000 Euro sichergestellt.
Wellerings Konkurrenz, die Firma „Dachtuning“, ist schon länger in der Branche aktiv. Inhaberin ist Uta Pannwitt, nach außen tritt der 42-jährige Sven Pannwitt als Chef auf. Pannwitt vergleicht die Firma mit einem „abwehrbereiten Schlachtschiff“: Als „Widerstandskämpfer gegen das Böse“ macht er Front gegen die Hells Angels.
Pannwitt meint es ernst: Die Zufahrt seiner Villa in der Nähe von Rostock ist von hohen Mauern umgeben, er brüstet sich mit seinem „komplexen Verteidigungssystem“, mit einer „selbstladenden Pistole für Gummi“ mit Bewegungsmelder.
Pannwitt fährt Lamborghini, trägt den Schriftzug seiner Firma als Tattoo auf dem Unterarm und protzt mit seinem Fuhrpark und der Villa. Auch T-Shirts gibt es, mit der Aufschrift: „Dachtuning Supportcrew: Stark und Deutsch – Ich verteidige mein Land“.
Auch beim Streit der Firmen „Dachtuning“ und „Dach Expert“ spielt die Achse zwischen Bremen und Mecklenburg-Vorpommern eine Rolle: Früher waren Pannwitt und S. Geschäftspartner. Sie zerstritten sich, S. wandte sich den Hells Angels zu. Mit denen wiederum lag Pannwitt im Clinch.
Pannwitt umgibt sich mit der Bruderschaft „Eastcoast Brotherhood“ (ECB). Auch die Bruderschaft ähnelt einem Rockerclub, präsentiert sich mit Waffen und Motorrädern – und autonome Nationalisten bekunden Sympathie. Bei einem Gerichtstermin gegen die ECB trugen deren Mitglieder „Dachtuning“-Kleidung, Pannwitt war als Kopf der Gruppe erkennbar. Das Zahlenkürzel „532“, das für „ECB“ steht, klebt an Firmenfahrzeugen.
Wegen eines Tattoo-Studios kam es zu Gebiets-Konflikten der Brotherhood mit den Nazi-Rockern der „Schar“. Befreundet dagegen sind sie mit Rockern der „Mongols“ aus Neubrandenburg. Vier Neubrandenburger stehen zurzeit vor Gericht. In Niedersachsen existieren von den Mongols bisher drei Chapter in Celle, Cuxhaven und Stade. Einer der Mongols-Köpfe ist Ibrahim M. aus Bremen, der derzeit wegen organisierten Drogenhandels im Gefängnis sitzt.
Obwohl sich die Mongols wohl überwiegend aus Migranten rekrutieren, haben sie Kontakte in die rechte Szene. Manchmal tragen sie sogar „Thor Steinar“-Kleidung. OTTO BELINA
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen