: Hallo, Radar-George
AUS PRAG SASCHA MOSTYN
Tschechiens Präsident Václav Klaus ist überzeugt, in Sachen Radar werde US-Präsident George W. Bush schon mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin verhandeln. Die tschechische Regierungsriege, so Klaus, stehe jedenfalls hinter den USA und ihren Plänen zur Raketenabwehr per Sternenkrieg. „Was das Radar betrifft, so verstehen wir uns mit Präsident Bush“, erklärte Klaus in Prag.
Mit dem eigenen Volk dagegen scheinen sich Klaus und der tschechische Ministerpräsident Mirek Topolánek weniger zu verstehen. Jüngsten Umfragen zufolge sind weiterhin zwei Drittel der Bevölkerung gegen die Radaranlage, die die Amerikaner in den mittelböhmischen Brdy-Wäldern stationieren wollen. Die Einwände Russlands werden von Prag als bloße Drohgebärden abgetan.
Auch Bush gab sich gestern gelassen: „Russland ist nicht unser Feind. Der Raketenabwehrschirm ist notwendig zur Verteidigung und keine Bedrohung für Russland.“ Warum der Kreml so dagegen ist, dass die USA Raketen sowie eine Radaranlage, die einen 7.000 Kilometer weit entfernten Tennisball ausmachen könnte, im russischen Hinterhof in Ostmitteleuropa aufstellen, scheint Bush ein Rätsel zu sein. Schon im Vorfeld hat er den Zwist um das Raketenschild schon als „Meinungsverschiedenheiten unter Freunden“ abgetan.
Der US-Präsident verpasste aber nicht die Chance, noch ein bisschen mehr Öl ins Feuer zu gießen. In einer Rede vor Menschenrechtlern kritisierte er Russland und China wegen mangelnder demokratischer Reformen. Die Entwicklung in Russland bezeichnete er als „Besorgnis erregend“.
Nur gut, dass Bush, bevor er in Heiligendamm auf Putin trifft, Zwischenstopp in Prag eingelegt hat. An der Moldau konnte er sich gehörig verehren lassen. Absperrungen und Demonstrationsverbote hielten Bush-Gegner von der Prager Burg, wo Bush mit Präsident Václav Klaus und Ministerpräsident Mirek Topolánek zusammentraf, weiträumig fern.
Bush, der bei seiner Ankunft von Außenminister Karl Schwarzenberg empfangen wurde, hatte einen großen Topf Honig mit im Gepäck, den er den Tschechen ums Maul schmierte. „Ich bin der Tschechischen Republik dankbar, dass sie sich wegen der Stationierung des Radars einem Risiko aussetzt“, sagte der US-Präsident und gab sich überzeugt vom höheren Zweck des Sternenkriegs. „Freiheit und Demokratie sind ein Segen und werden denen ein Segen sein, die sie noch nicht haben“, sagte Bush und richtete den Tschechen aus: „Ich möchte Sie unsere Freunde nennen können.“
Allerdings machte er nicht nur große Worte, sondern auch Versprechungen. Er werde sich „aktiv für die Aufhebung der Visapflicht einsetzen“, versprach Bush den Tschechen. Das freilich, so versicherten sowohl die amerikanische als die tschechische Seite, habe überhaupt nichts mit der geplanten Stationierung des US-Radars zu tun. Denn das scheint die tschechische Regierung, deren Stimmenmehrheit auf zwei Überläufern im Parlament beruht, ohnehin zu wollen.
Damit angesichts der ablehnenden Haltung der Bevölkerung keine Zweifel bei dem Amerikaner aufkommen, hat die tschechische Verteidigungsministerin Bush ein Geschenk gemacht: Zusammen mit einem tschechischen Countrysänger schrieb sie dem US-Präsidenten ein Ständchen und übernahm dafür die Melodie eines Jubellieds auf den ersten russischen Kosmonauten, Juri Gagarin. Im Text des Liedes heißt es unter anderem: „Guten Tag, Radar, sei einfach willkommen. Wir dürfen es endlich erleben. Guten Tag, Radar, ich applaudiere dir.“
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