: Minipension für SED-Opfer wird Gesetz
Ob SED-Opfer künftig entschädigt werden, richtet sich nach Haftdauer und Bedürftigkeit. Gesetz heute im Bundestag
BERLIN taz ■ Was lange währt, wird endlich gut. Doch leider trifft dieses Sprichwort nicht immer zu. 17 Jahre hat es gedauert, bis die Opfer der SED-Diktatur eine Pension bekommen. Diesen Mittwoch will der Bundestag das Gesetz über die Einführung einer Opferpension verabschieden. Es sieht, ähnlich wie die Entschädigung für Verfolgte des Nationalsozialismus, eine monatliche Zahlung in Höhe von 250 Euro vor. Doch anspruchsberechtigt sind nur die, die mindestens sechs Monate in DDR-Gefängnissen saßen und deren Einkommen unter 1.035 Euro liegt.
„Wir sind erst einmal froh, dass zumindest die Gruppe der wirklich stark Bedürftigen etwas kriegt“, sagte gestern der Bundesvorsitzende der Vereinigung der Opfer des Stalinismus, Alex Latotzky, zur taz. Gemeint sind diejenigen, die mit Renten von 500 oder 600 Euro leben müssen.
Die Fraktionen von Union und SPD hatten sich im Januar auf Eckpunkte für ein drittes sogenanntes SED-Unrechtsbereinigungsgesetz geeinigt und später auf einige „Nachbesserungen“. So sollten ursprünglich Renten wegen Alters, verminderter Erwerbsfähigkeit, Arbeitsunfall, Berufskrankheit oder aus privaten Lebensversicherungen angerechnet werden. Damit wären nach Angaben des Bundesfinanzministeriums nur 16.000 Menschen anspruchsberechtigt gewesen. Da diese Anrechnungsregel wegfällt, erhöht sich die Zahl auf etwa 40.000. Des Weiteren sah das Gesetz ursprünglich vor, die Opferpension immer nur für sechs Monate zu bewilligen. Jetzt wird sie nach dem Erstantrag dauerhaft gewährt.
Während die Koalition von „Verbesserungen“ spricht, nennt Latotzky die Zugeständnisse „kleine Knochen, die uns zugeworfen werden“. Für ihn bleibt eines nach wie vor unbegreiflich: „Es soll eine Ehrung für politischen Widerstand geben, die von der sozialen Bedürftigkeit abhängig gemacht wird. Das ist ein krasser Widerspruch.“
Der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Olaf Scholz verteidigt die Bedürftigkeitsgrenze und verweist auf die geplante Aufstockung der Mittel für die Häftlingshilfestiftung. Der stellvertretende Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Sprecher der ostdeutschen CDU-Bundestagsabgeordneten, Arnold Vaatz, räumt immerhin ein: „Die Koalition wendet sich den Menschen zu, die großes Leid erfahren haben. Es ist aber wahrlich kein Ruhmesblatt, dass dies erst 17 Jahre nach der Wiedervereinigung passiert.“ Die FDP hatte in ihrem Antrag eine Opferrente von 500 Euro gefordert. Der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland verlangt, dass auch Opfer von Zersetzungsmaßnahmen berücksichtigt werden sollen.
Wenn der Bundestag jetzt das Gesetz verabschiedet, muss noch am 6. Juli der Bundesrat zustimmen. Dann soll die Pension ab 1. September im Voraus ausgezahlt werden. Die Forderungen der Opfer nach Aufhebung der Bedürftigkeitsgrenze und der Mindesthaftdauer werden aber bestehen bleiben. Ganz nach dem Motto: Gut Ding will Weile haben. BARBARA BOLLWAHN
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