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Jetzt wird in der SPD gezockt

Der Rückzug von Ulrich Nußbaum als Senator hat die SPD kalt erwischt. Wer ist Schuld? Wem schadet das Vorgehen des SPD-Chefs Uwe Beckmeyer, wem nutzt es? Und: Wer hatte die Fäden in der Hand?

Von KLAUS WOLSCHNER

Gestern Abend wollte der Bremerhavener SPD-Vorstand zusammenkommen, um die schwierige Lage nach dem Rückzug des designierten Senatsmitgliedes Ulrich Nußbaum zu beraten. Der Landesvorsitzende Uwe Beckmeyer hatte forsch bei „Buten un binnen“ angekündigt, dass am gestrigen Tage schon ein neuer Name genannt werden sollte. Aber nach den Regularien der SPD müsste dieser Namensvorschlag aus Bremerhaven kommen – und dort hat Beckmeyer im Unterbezirksvorstand keine Stimme. Im Gegenteil: Der Versuch von Beckmeyer und OB Jörg Schulz, die Nominierung von Nußbaum im Mai von der Tagesordnung zu nehmen, war einhellig von den UB-Vorständen abgewehrt worden. Auf dem Unterbezirksparteitag am 29. Mai war Nußbaum mit ganz großer Mehrheit nominiert worden. Niemand hat auf dieser Parteiversammlung problematisiert, dass Nußbaum nicht Mitglied der SPD ist.

Auch Beckmeyer nicht. Ziemlich genau eine Woche nach diesem Parteitag schrieb er den Brief an Nußbaum, der Nußbaum in die Partei drängen sollte und der jetzt für den Eklat sorgte. Obwohl die beiden Politiker, die – wie Beobachter sagen – miteinander schon seit längerem „nicht können“ – sich zu den Koalitionsverhandlungen fast täglich über Stunden gesehen haben, hat Beckmeyer das Thema nicht angesprochen und auch den Brief nicht aus der Tasche geholt. Bis, da mag man an einen Zufall glauben, der UB-Vorsitzende Siegfried Breuer, der auf der Seite von Nußbaum stand, nach Italien reiste.

Das Szenario kennt man aus Putschversuchen in vordemokratisch strukturierten Bananenrepubliken: Wenn der Kaiser außer Landes ist, sieht der Brutus seine Chance und zieht das Messer, das er lange in der Tasche bewahrte. So könnte es gewesen sein – aber der, dem das Szenario die Hauptrolle zuschreibt, bestreitet es vehement. Hat ihn die Nachricht vom Rückzug Ulrich Nußbaums überrascht? „Ich war vom Donner gerührt“, hat der SPD-Landesvorsitzende Beckmeyer auf diese Frage gesagt, „ich verstehe es nicht.“

Verbürgt ist allerdings, dass Beckmeyer keineswegs den Brief zurücknehmen oder sich für die Form entschuldigen wollte, als Böhrnsen ihn zu dem Thema anrief. Verbürgt ist auch, dass Böhrnsen es einfach hingenommen hat, als Beckmeyer lapidar sagte, Nußbaum müsse ja nicht antworten auf das Schreiben.

Das war offenbar der Punkt, der das Fass zum Überlaufen brachte. „Wenn das seine Vorstellung von Führung ist, dann geht es nicht mit mir. Ich habe nicht verstanden, warum er in der Frage der Parteimitgliedschaft keine klare Sprache finden wollte“, sagt Nußbaum – über Böhrnsen. „Ich lasse mir nicht von Landeschef Beckmeyer die Pistole auf die Brust setzen“, wird Nußbaum in der Nordseezeitung zitiert. Zugeknöpft gaben sich gestern Nachmittag die Mitglieder des Bremerhavener UB-Vorstands kurz vor der entscheidenden Sitzung. Keinen Maulkorb musste sich zum Beispiel Gerlinde Berk verpassen, die jetzt ausscheidende Bürgerschaftsabgeordnete. „Wütend“ sei sie, sagte sie, „mich hat das fast erschlagen“. Jedem sei klar gewesen, dass Nußbaum „nicht abhängig davon ist, dass er so einen Posten hat“. Dass er nicht Mitglied der SPD ist, sei schade, aber wichtiger sei die Qualifikation für ein Senatorenamt. Und Beckmeyers Überraschung? „Beckmeyer hat doch viel Erfahrung. So blöd kann man nicht sein.“

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