KLAUS-HELGE DONATH ÜBER DEN RUSSISCHEN PRÄSIDENTEN BEIM G-20-Gipfel: Putin inszeniert Putin
Wladimir Putin hegte sicherlich nicht die Illusion, auf dem G-20-Treffen in Brisbane herzlich empfangen zu werden. Nach dem Abschuss der malaysischen Boeing im Juli über der Ukraine war gar darüber spekuliert worden, ob der Kremlchef überhaupt eingeladen werden sollte. Er wurde es und kündigte sein Kommen vorab schon durch die Entsendung von vier Kriegsschiffen vor die australische Küste an. Wladimir Putin gefällt sich als bad boy der internationalen Politik. Mag der Westen auch über die ausgedienten sowjetischen Schiffe lächeln, die einst Größe verkörperten. Die Welt will etwas von Russlands Präsidenten, nicht er von ihr: den Rückzug aus der Ukraine.
Putin weiß, dass er sich in der Ukraine alles erlauben kann. Der Westen wird sich nicht im Interesse Kiews militärisch einmischen und auch keine Waffen liefern. Dann schaut der Kremlchef noch auf Deutschland und sieht, wie sich das Land der Schuld an diesem Krieg selbst bezichtigt. Als gäbe es Russland nicht, den Aggressor. Das ist es, was der Kreml beabsichtigt: Verwirrung stiften – Bündnisse und Gemeinsamkeiten untergraben.
Der vorzeitige Rückzug aus Brisbane war daher Teil der Inszenierung. Putin musste dabei sein, weil die Klientel zu Hause es erwartet. Sie wird den vorfristigen Heimkehrer nun begeistert empfangen, wieder hat er dem Westen gezeigt, wer hier eigentlich das Sagen hat: Putin war die G-20-Agenda. Zur Problemlösung beitragen darf der Kreml nichts, im Gegenteil, er braucht den Konflikt, um die Eruption der inneren Schwierigkeiten hinauszuschieben. Gesellschaft und Führungsschicht denken nur noch in Ressentiments. Selbstisolation ist daher eine bewusste Entscheidung. Aggressiv wird die Wirklichkeit zurückgewiesen. Der wahnhafte Glaube an die eigene Stärke ist indes illusionär und selbstzerstörerisch.
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